Wenn man einen Blick auf die Kunstlandschaft in Hamburg wirft, dürfen die Museen natürlich nicht fehlen. Wir haben Kurator:innen und Museumsdirektor:innen nach ihren Lieblingsstücken gefragt – und spannende Einblicke erhalten…
Hamburger Kunsthalle: Out of Space
Wir haben uns gemeinsam mit zwei jungen Kuratoren die Ausstellung „Out of Space“ angeschaut. Dazu Jan Steinke: „Der VR-(Virtual Reality)-Künstler Manuel Rossner hat die Galerie der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle digital nachgebaut – und erweitert. Hier sind Dinge möglich, die sonst unmöglich sind. Mit Kunst interagieren z.B. – wir Betrachter:innen sind mittendrin, zwischen Malereien und Skulpturen, über die wir springen und laufen. Und die sich im digitalen Lichthof ihren ganz eigenen Weg suchen – bis hinauf ins 3. Obergeschoss der Galerie der Gegenwart und darüber hinaus.“
Ifee Tack: „Der Künstler lässt die Grenzen von real- und virtuellem Raum verschwimmen. Eine seiner digitalen Malereien hat er zum Beispiel real anfertigen lassen; als blaues Objekt hängt sie nun zwischen den anderen Kunstwerken und kann so mit und ohne VR-Brille von uns entdeckt werden – aber auch mit dem eigenen Smartphone von überall und jederzeit ist es möglich sich spielerisch durch seine Objekte in der digitalen Erweiterung zu bewegen.“ Bis 28. November
Deichtorhallen: Family Affairs
Für die Deichtorhallen war Intendant Dirk Luckow mit uns unterwegs. „Family Affairs“ heißt die letzte Ausstellung im Haus der Photographie vor seiner umfassenden Sanierung ab Sommer 2021 und dem Umzug ins PHOXXI, der temporären Spielstätte der Deichtorhallen für Fotografie auf dem Deichtorplatz.
Der Intendant dazu: „Die Ausstellung wirft mit 23 internationalen zeitgenössischen Positionen einen globalen Blick auf die Verschiedenartigkeit familiärer Lebensentwürfe sowie auf die Vielfalt fotografischer Herangehensweisen an dieses Thema. Die amerikanische Fotografin Jamie Diamond etwa greift in ihren Werken den klassischen Typus des Familienporträts auf. Im Sonntagsgewand gekleidet stehen die porträtierten Gruppen inszeniert in einem repräsentativen Innenraum frontal zur Kamera, wodurch die hierarchischen Familienstrukturen betont werden.
Dieses scheinbar „perfekte“ Bild einer Familie wird jedoch zerrüttet, sobald sich das Konzept der Serie offenbart. Denn Amie Diamond mietet Hotelzimmer an und „wirft“ Statistinnen und Statisten zu einem klassischen „Familienporträt“ zusammen, die weder verwandt noch miteinander bekannt sind. Einfach, aber effektiv führt sie so den Betrachtenden vor Augen, wie stark standardisierte Bildtypen unsere Wahrnehmung beeinflussen.“ Bis 18. Juli.
Museum für Hamburgische Geschichte: Max Halberstadt
Max Halberstadt galt in den 1920er Jahren als einer der bekanntesten Porträtfotografen Hamburgs. Der Schwiegersohn von Sigmund Freud war darüber hinaus bekannt für seine Kinderfotos. Ein solches Bild gehört auch zu den Lieblingsmotiven von Ausstellungs-Kurator Wilfried Weinke: „Vor allem, weil die Darstellung der beiden Geschwister Franz und Judith Wolf für die Kinderfotografie der 1920er Jahre so ungezwungen ist. Dieses Bild war zudem im Schaukasten von Halberstadts Atelier am Neuen Wall zu sehen. Darüber hinaus steckt auch eine berührende Geschichte hinter diesem Foto: Es zeigt Franz Wolf selbst, der rechtzeitig vor dem Zweiten Weltkrieg nach Palästina ausgewandert ist. Auch deshalb ist das Bild ein Stück Zeitgeschichte.“
Doch Wilfried Weinke hat noch ein weiteres Lieblingsstück in der Halberstadt-Ausstellung: „Ein Foto, das den jungen Max Halberstadt und seine Leica-Kamera zeigt, ist für mich auch etwas Besonderes. Vor allem, weil die Box der Kamera eine Widmung von zwei Hamburger Fotografen für Halberstadt zeigt, bevor dieser nach Südafrika emigrierte.“ Bis 3. Januar 2022
MARKK Museum am Rothenbaum: Steppen & Seidenstraßen
Kuratorin Dr. Maria-Katharina Lang ging mit uns durch die Ausstellung „Steppen & Seidenstraßen“. Dabei kamen wir auch an diesem prächtigen Mantel vorbei. „Wir haben in unserem Projekt „Dispersed&Connected. Artistic Fragments along the Steppe- and Silk Roads“ Künstler*innen eingeladen, neue Werke zu schaffen, die sich mit den Projekthemen wie Mobilität, Infrastrukturen, Geschwindigkeit, Distanz und Verbundenheit, Globalisierung, Nomadismus und Ressourcenabbau auseinandersetzen. So werden direkte Brücken von der Vergangenheit in die Gegenwart geschlagen.
Ein Beispiel einer solchen Konstellation, welches mich ganz besonders beeindruckt: Aus dem MARKK und dem Weltmuseum Wien sind prächtige historische Mäntel zu sehen, die in Ikat-Webtechnik hergestellt wurden. In Videos erzählen usbekische Webemeister, wie dieses Kunsthandwerk innerhalb der Familien tradiert, während politischer Repressionen im Geheimen fortgeführt und nach der Sowjetzeit wiederbelebt wurde. Dazu hat die zeitgenössische Künstlerin Dilyara Kaipova aus Taschkent einen Ikatmantel (Chapan) „Scream“ mit einem überraschenden Motiv gestaltet: In stilisierter Form erinnert das Motiv auch an „Der Schrei“ von Edvard Munch. Bis 7. November
Museum für Kunst und Gewerbe
Das Lieblingsstück des MK&G kommt von Christane Papenmeyer vom MK&G Freundeskreis der Justus Brinckmann Geselschaft: „Mein Lieblingsobjekt wird aktuell in der Ausstellung „Tiere, Tampons und Theater – Das MK&G kuratiert kollektiv“ gezeigt. Bei dem Objekt handelt sich um das großformatige Plakat „The Zoo“ (1931) des britischen Künstlers F. Gregory Brown (1887–1941), das eine farbig-leuchtende Unterwasserwelt zeigt. Es erinnert mich sehr an meinen ersten Besuch im Londoner Zoo vor ein paar Jahren, der gleichzeitig auch der erste Zoobesuch meines damals zweijährigen Sohnes war. Vor allem das Aquarium hatte es ihm angetan, und so schlenderten wir dort im Laufe des Tages fünf Mal auf seinen Wunsch hindurch. Für mich strahlt das Plakat von F. Gregory Brown bereits diese unvergleichliche Exotik aus, die man in großen Aquarien oft verspürt.
Dass sich das Plakat in einer Sonderausstellung wiederfindet, ist übrigens kein Zufall – denn ich durfte es dafür aussuchen! Auf Einladung der Kuratorin Julia Meer habe ich mich (wie alle anderen Kolleg:innen) in der über 300.000 Blatt umfassenden Sammlung Grafik und Plakat des MK&G umgeschaut, und mithilfe der spannenden Suchstrategien bin ich auf herausragende Meisterwerke sowie viele faszinierende Motive und Künstler:innen gestoßen.
Bis 26. September
Jenischhaus: Werkmeisters Welt
Der Hamburger Künstler Wolfang Werkmeister ist vor allem bekannt durch seine Radierungen. Was viele aber gar nicht wissen: Werkmeister ist auch ambitionierter Sammler. Im Jenischhaus präsentiert er anlässlich seines 80. Geburtstag einen Querschnitt durch seine schönsten Gemälde. Dazu gehört auch das Bild mit Kuh des chilenischen Malers Benito Rebolledo Correa: „Ich habe mich immer gewundert, warum ich gerade dieses Bild haben wollte – ich mag gar keine Kühe. Aber bis heute schaue ich mir das Gemälde wahnsinnig gern an. Der Kontrast zwischen dem Gebirge und der Plastizität des Tieres, die Sicherheit in der Darstellung der Muskulatur und die Frische durch die Verwendung vorwiegend kühler Töne haben mich dabei besonders fasziniert.“ Bis 18. Oktober