Prachtstraßen, prunkvolle Villen und szenige Viertel: Hamburg ist eine bunte Stadt voller Vielfalt. Bisweilen lohnt es sich da, auch mal um die Ecke zu schauen – denn es gibt viele schöne Höfe zu entdecken.
Phoenixhof
Das Ensemble in Hamburg-Altona gehört wohl zu den bekanntesten Höfen Hamburgs. Seinen Namen trägt der Phoenixhof erst seit den 1990er Jahren. Vorher war hier schlicht das Ottenser Eisenwerk. Dazu muss man wissen: Zu Zeiten, in denen Ottensen noch ein Fischerdorf war (nach 1870), entwickelte sich hier eine durch Gründungen der Ottensener Firmen Menck & Hambrock oder Theodor Zeise eine Zentrale der norddeutschen Schwerindustrie. Das hat die Geschichte dieses Stadtteils bis heute im Wesentlichen geprägt. Dazu gehören auch die beiden Belgier Pommeé & Nicolas, die das Ottenser Eisenwerk 1880 gründeten. Sogar die Kriege überstand das imposante Gebäude unbeschadet. Anfang der 90er Jahre fand dann der Umbau des denkmalgeschützen Ensembles statt. Die alte Fabrikhalle von 1892 (die sogenannte. „Phoenixhalle I“) wurde 1997 wieder eingeweiht – und prompt zum Gebäude des Jahres gewählt. Heute sind in der Stahltwiete 16 Gastronomie, Einzelhandel und Kultur zuhause.
Peterstraße
Keine Frage, die Gegend rund um die Peterstraße gehört mit zu den schönsten Ecken Hamburgs. Hier erstreckten sich früher die legendären – oder besser verrufenen Gängeviertel der Stadt. Aufgrund der drangvollen Enge und der zunehmenden mangelnden hygienischen Verhältnisse nahm hier beispielsweise die letzte Cholera-Epidemie der Stadt einen besonders schlimmen Verlauf.
Ausflug zu Brahms
In den 1960er Jahren wurden die letzten Gängeviertel in Hamburg abgerissen. Heute kann man nur noch vereinzelte Reste dieser Zeit im Stadtbild entdecken, beispielsweise in der Peterstraße. Hier findet man liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser mit schön gestalteten Details und Treppenaufgängen und natürlich pittoresken Höfe – ein Ausflug lohnt sich also. Hier, genauer gesagt in der Hausnummer 39, liegt auch das Brahms-Museum. Auch neben dem Eingang zum Museum findet man einen kleinen Durchgang in einen Hinterhof. In der Mitte dieses Hofs befinden sich ein verzierter Brunnen, Bäume und – je nach Jahreszeit – blühende Pflanzen. Übrigens: Das Museum liegt nur einen Steinwurf entfernt von der Speckstraße. Dort stand früher das Geburtshaus von Brahms; ein Zehnfamilienhaus in Fachwerkbauweise.
Heute gehört die Gegend rund um Peter- und Speckstraße zum Komponistenquartier Hamburg, in dem neben Brahms auch Mahler oder Mendelssohn ein museales Zuhause gefunden haben. Übrigens droht in diesem Punkt für Ortsfremde ein Missverständnis: Einige Straßenzüge in Barmbek werden nämlich Komponistenviertel genannt. Dabei wurde die Wagnerstraße (die erste in dieser Reihe) 1877 nach dem Grundeigentümer Franz Heinrich David Wagner benannt und nicht nach dem berühmten Tondichter. Doch neue Straßen in diesem Bereich wurden fortan nach weiteren Musikern betitelt. Deshalb gibt es dort auch die Mozart- oder die Bachstraße…
Koppel 66
Einige der schönsten Hinterhöfe befinden sich in St. Georg. Wer die zentrale Straße Lange Reihe entlanggeht, sollte deshalb genau hinschauen – denn viele Durchgänge sind auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen. Einige der pittoresken Hinterhöfe wurden allerdings von den Anwohnern auch geschlossen, weil der Trubel zu groß wurde. Einen besonders schönen Hof findet man in der Adresse Koppel 66, einer kleinen Seitenstraße der Langen Reihe. Hier haben sich zudem viele Künstler und Kunsthandwerker angesiedelt.
Das Viertel der Underdogs
Generell hat die Gegend rund um die Lange Reihe in den letzten Jahren eine beachtliche Karriere hingelegt, wobei es eine erstaunliche Parallele zwischen gestern und heute gibt: Schon immer war St. Georg das Viertel der Unangepassten, bisweilen auch der Underdogs Hamburgs.
Um 1200 verbannte man die Leprakranken der Stadt ins heutige St. Georg, was damals noch nicht zu Hamburg gehörte. Und weil die Regierenden damit gute Erfahrungen gemacht hatten (nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“) wurde die Region auch in den kommenden Jahrhunderten zum Tummelplatz für alle jene, die im feinen Hamburg nicht gern gesehen waren. Mitte des 16. Jahrhunderts befanden sich dort der Pestfriedhof, der Hinrichtungsplatz und die Schweinezüchter, es folgten eine Abdeckerei und der Müllabladeplatz. Auch Schnapsbrenner ließen sich in der Nähe nieder, weil deren Abfälle ein begehrtes Schweinefutter waren.
In der Neuzeit, genauer gesagt, um 1900 herum, entwickelte sich St. Georg zum Amüsierviertel, zog in den folgenden Jahrzehnten Etablissements wie das Cabaret Pulverfass an, das heute an der Reeperbahn residiert, dazu Theater wie das Ohnsorg, das Deutsche Schauspielhaus oder Alma Hoppes Lustspielhaus. Damit einher entwickelte sich in St. Georg auch eine rege Rotlichtszene, die leider auch einherging mit Drogenmissbrauch.
Aber St. Georg wäre nicht das Viertel, was es bereits seit Jahrhunderten ist, wenn sich der Stadtteil nicht berappelt und neu erfunden hätte. Trotz der Schattenseiten, die es auch heute noch gibt, ist hier ein buntes, kreatives und ungewöhnliches Viertel entstanden, in dem man bestens shoppen oder essen gehen kann (unser Tipp: Das Restaurant „Dorf“ an der Langen Reihe.)
Zeisehallen
Wer tolle Höfe mag, wird um die Zeisehallen nicht herumkommen. Die ehemalige Fabrik für Schiffsschrauben war 1868 von Theodor Zeise gegründet worden und war um 1910 weltbekannt. Im Zuge der Schiffbaukrise ging die traditionsreiche Firma 1979 in Konkurs. Anfang der 1990er Jahre wurde auch dieses Ensemble umgebaut. Hier findet man neben dem Programmkino Zeise auch die Filmhauskneipe (die Bratkartoffeln hier sind sensationell). Dass rund um die Zeisehallen der Film zuhause ist, hat seine Ursprünge in den 1970er Jahren. Damals wurde der ehemalige Konferenzraum der Zeise-Fabrik umgebaut und heisst seitdem Filmhauskneipe. Apropos Film: Ein Kino gibt es hier auch – die zeise Kinos zeigen durchaus spannende Filme abseits der großen Blockbuster.
Industrie-Charme in vielen Details
Aber auch sonst bieten die Zeisehallen mit ihrem schönen Innenhof viel zu entdecken. Denn die industrielle Vergangenheit ist hier ganz bewusst in Teilen erhalten worden. So findet man in der Ecke einer Halle eine gigantische Schiffsschraube, im Restaurant Eisenstein (seit Jahren berühmt für seine Pizza) steht ein Ofen, in dem früher Metall geschmolzen wurde und ganz generell lohnt sich hier ein Blick auf den Boden: Dort sieht man nämlich alte Gussformen, die früher in der Schiffsschrauben-Fabrik zum Einsatz kamen. Auch die ursprünglichen Stahlträger erinnern an die Hamburger Hochzeit der Industriekultur. Die Wände im Rohputz dagegen lassen kurioserweise an mediterrane Häuser denken. Aber vielleicht liegt das auch an den Palmen, die in den Zeisehallen zu finden sind…
Alte Druckerei
Von der belebten Bahrenfelder Straße führt ein kleiner Durchgang an Hausnummer 73 auf einen Hinterhof und die Heimat der Alten Druckerei. Wie der Name schon nahelegt, wurden hier früher Formulare gedruckt. 1856 legte Buchbinder Christian Bruhn dafür den Grundstein, sein Sohn Theodor kaufte 1892 das Gelände gemeinsam mit seinem Schwager und gründete „Bruhn & Dietz. Neben den erwähnten Formularen spezialisierte sich die Firma auf Geschäftsbücher – und war bald so erfolgreich, dass ihre Druckerzeugnisse bis nach Übersee exportiert wurden. In der Druckerei fanden mehr als 100 Menschen einen Arbeitsplatz.
Die Familie gibt es übrigens heute noch – und hat ihren Standort immer noch im gleichen Gebäude: Im Vorderhaus findet ihr nämlich „Christine Bruhn Papier + Design“. Unser Tipp: die unvergleichlich edlen Schreibgeräte von Charan d’ Ache.
Doch nicht nur in der Papeterie zeigt sich, dass die Alte Druckerei heute eine wunderbare Kombination aus Lebensart und Kreativität ist. Denn hier finden sich Filmschaffende, Werber oder Autoren zusammen, um Ideen auszutauschen oder Konzepte zu entwickeln. Dabei helfen bisweilen sicher die schönen Tropfen von WeinKlang. Der Laden gehört ebenfalls zur Alten Druckerei, hat aber keine festen Öffnungszeiten. Übrigens: Im Dachgeschoss hatte Filmemacher Hark Bohm sein erstes Büro.
Falkenriedterrassen
Eine dörfliche Idylle in der Großstadt: die Falkenried-Terrassen in Hoheluft-Ost sind schon etwas ganz Besonderes. Doch da, wo heute Idylle pur herrscht, war früher das Elend zu Hause. Gebaut wurden die Häuser mit ihren Mietwohnungen für kinderreiche Familien gebaut – wohlgemerkt, Wohnungen mit Flächen von 30 bis 50 Quadratmeter! Damit nicht genug: Während der Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren und der damit verbundenen Inflation wechselten die Hausbesitzer ständig – bisweilen sogar täglich. Die Folge: Die Wohnungen verkamen immer mehr.
Mieter gegen Ratten und Müll
1932 wurde dann der erste Mieterverein gegründet – und seine Forderungen sprechen Bände über den Zustand der Wohnung: elektrisches Licht, Rattenbekämpfung, Müllabfuhr. Doch die Zeiten für die Bewohner der Falkenriedterrassen wurden noch schlimmer: Unter der Naziherrschaft gingen die Machthaber mit Razzien, Misshandlungen und gezielten Übergriffen gegen die Bewohner vor – die Terrassen galten in Hamburg als „rote Hochburg“. Doch die Bewohner beweisen Kreativität im Umgang mit den Repressalien: Das Verbot der roten Fahnen zum Tag der Arbeit am 1. Maiu mgingen sie, indem sie rote Betteninlets in die Fenster legten.
Der Hitlerjunge Otto Blöcker wurde angeblich in einem Anschlag mit Beteiligung von “roten” Terrassenbewohnern ermordet. Im folgenden Prozess werden mehrere Bewohner zum Tode verurteilt und hingerichtet, andere mit langjährigen Zuchthausstrafen bestraft. Die Straße Falkenried wurde zudem 1934 in Otto-Blöcker-Straße umbenannt.
im Zweiten Weltkrieg wurden Teile der Falkenriedterrassen durch Bomben zerstört. Dementsprechend waren sie in den 1960er Jahren Sanierungsgebiet, dann allerdings relativ schnell Abrissgebiet. Grund: Man wollte an das Bauland. Eine Mieterinitiative jedoch ging dagegen auf die Barrikaden – und nicht nur einmal. In den Folgejahren mussten die Mieter immer wieder um ihre Wohnungen kämpfen. Heute sind die Falkenriedterrassen ein wunderschönes Stück Hamburg mit ganz eigenem Charme. Und ein Beweis dafür, was möglich ist, wenn man an einem Strang zieht.
Lippmannstraße
Ein Hinterhof wird heute ja zu ganz unterschiedlichen Dingen genutzt. Mal als Treffpunkt für die Nachbarschaft, mal als Café oder Restaurant. In der Lippmannstraße im Stadtteil Sternschanze dient der Hinterhof als Galerie für Streetart, genauer gesagt für das Wandgemälde FischersNetz.
Dem Seebären sollte man ruhig einmal einen genaueren Blick gönnen. Dann sieht man nämlich, dass seine Tätowierungen in Teilen aus Social-Media-Logos bestehen, wie von Facebook, Pinterest WhatsApp oder LinkedIn. Nicht zu vergessen: Larry, der blaue Twitter-Vogel auf der Schulter. Auftraggeber für das Mural war übrigens die Agentur Beebop Media. Die sitzt dem Seebären in ihrem Büro genau gegenüber – und ließ sich in dem Tattoo mit Segelschiff verewigen. Hier gibt es übrigens einen Clip zur Gestaltung des Wandgemäldes: