Vier Tage, mehr als 120 Künstler, diverse Lesungen und endlos gute Laune: Das ist das Reeperbahn Festival 2021. Die viel zitierte Rückkehr zur Normalität kann in diesem Jahr ganz offensichtlich stattfinden. Zeit wurde es. Für die Acts, aber auch für die Fans.
Los geht das Festival am 22. September mit dem großen „Reeperbahn Festival Opening im Stage Operettenhaus. Die Eröffnungsshow bietet neben Lice-Acts auch Keynotes und Talks zu ganz unterschiedlichen Themen.
Das vielseitige Konzertprogramm wird vor allem durch Bands und Solisten aus dem europäischen Umland geprägt. Der Rapper Mavi Phönix ist ebenso am Start wie Songwriterin Antje Schomaker.
Neben dem Festival-Village auf dem Spielbudenplatz und dem Spielort Elbphilharmonie wird es drei Open-Air-Bühnen geben. Ergänzt wird das Liveprogramm durch Programminhalte als Livestream oder Video-on-demand.
Wie man an der nahezu opulenten Planung in diesem Jahr sieht, war die pandemiegerechte Version des Festivals im vergangenen Jahr so erfolgreich, dass die Macher jetzt wieder richtig loslegen können. Hamburg freut sich!
Und das sagt Carsten Brosda
Welchen Stellenwert hat das Reeperbahn-Festival – vor allem jetzt, nach der Corona-Zwangspause für viele Kulturschaffende?
Bereits im letzten Jahr hat das Reeperbahn-Festival das wichtige Zeichen gegeben, dass die Club-Kultur lebt. Dieses Jahr wird dieses Zeichen hoffentlich dank des Impf-Fortschritts noch lauter und unüberhörbarer werden.
Was ist für Sie das Reeperbahn-Festival ganz generell?
Das Reeperbahn-Festival kann es in der Form nur in Hamburg geben. Nur hier gibt es diese Dichte an Musikclubs mit dieser einmaligen Tradition. Es ist ganz tief in unserer lokalen Kultur verankert. Zugleich hat es aber in den letzten Jahren eine enorme internationale Bedeutung bekommen. Die Musikszene Europas weiß, dass sie hier die Bands von morgen trifft und zugleich viele Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt zum Austausch treffen kann.
Haben Sie auf vorherigen Festivals schon ein absolutes Highlight erlebt, und wenn ja: welches?
Es ist das Besondere am Reeperbahn-Festival, das es von der Stimmung auf dem Kiez lebt. Es gibt oft nicht bloß das eine Konzert, das heraussticht, sondern man kann sich jeden Abend aufs Neue einfach treiben lassen und sicher sein, dass man überall spannenden Bands hört und tolle Menschen trifft. Laura Gibson in der St. Pauli-Kirche vor fünf Jahren – das Konzert war schon was ganz besonderes.
Gibt es einen Auftritt in diesem Jahr, auf den Sie sich besonders freuen?
Vor allem freue ich mich auf hoffentlich wieder ein Stück mehr Normalität. Wenn sich bis dahin noch mehr impfen lassen, werden wir vielleicht auch wieder dem alten Club-Gefühl ein Stück näher kommen. Worauf ich mich dann besonders freue, weiß ich hinterher.
Nach wie vor sieht die Zukunft für viele Betriebe auf dem Kiez, vor allem für Musikclubs relativ düster aus. Gibt es Pläne von der Stadt, diesen Betrieben zu helfen?
Wir helfen den Musikclubs bereits seit Beginn der Pandemie auf vielfältige Weise. So haben wir als Kulturbehörde zusammen mit der Hamburger Clubstiftung Hilfen entwickelt, über die bis heute rund drei Millionen Euro an die Musikclubs geflossen sind. Hinzu kommen zunehmend auch Bundeshilfen. Wir sind weiter miteinander im Gespräch um zu gucken, wo wir noch helfen können. Das Wichtigste aber ist jetzt, dass sich möglichst viele impfen lassen, damit wir Stück für Stück die Einschränkungen zurücknehmen können, zu denen uns dieses Virus gezwungen hat.
Welch ein Konzept müsste ein Clubbetreiber eigentlich vorweisen, um wieder öffnen zu können?
Derzeit gelten da die üblichen Regelungen, wie sie für alle Einrichtungen gelten: Abstand und Zutritt nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete (Stand 17.8.2021). Dies passen wir laufend an die aktuellen Gegebenheiten an. Insofern können Clubs schon seit einiger Zeit wieder zum Beispiel für Konzerte öffnen.
Was müsste in Hamburg unabhängig von Corona kulturell verbessert werden?
Manchmal habe ich den Eindruck, dass sich nicht alle in der Stadt dessen bewusst sind, welche kulturellen Schätze wir haben. Das ist mit der Eröffnung der Elbphilharmonie vor knapp fünf Jahren schon besser geworden und hat mit dem großartigen Kultursommer in diesem Jahr mit den rund 1.800 Veranstaltungen zum Neustart der Kultur nochmal neuen Schwung erfahren. Zunehmend sehen wir uns selber auch als Kulturstadt.
Auf welche Veranstaltungen freuen Sie sich in den kommenden Monaten?
Ziemlich wahllos auf alle. Ich freue mich wahnsinnig darauf, dass jetzt endlich wieder Konzerte möglich sind und die Spielzeiten an den Hamburger Theatern wieder losgehen und all die Programme und Stücke, die in den letzten Monaten erarbeitet wurden, aber nicht gezeigt werden konnten, endlich auf die Bühnen der Stadt kommen. Gleiches gilt für die Museen, die spannenden Ausstellungen entwickelt haben, die erst jetzt richtig gezeigt werden können.
Welche Form der Kulturveranstaltung besuchen Sie besonders gern – und was würden Sie unbedingt noch sehen wollen?
Ganz ehrlich? Am liebsten stehe ich in einem kleinen Club mit einem Bier in der Hand und höre einer Band zu, deren Namen ich vielleicht noch nie gehört habe, die mich aber mit ihrer Musik überwältigt.
Der Kiez gerät aufgrund seiner Modernisierung und der damit zwangsläufig verbundenen Gentrifizierung immer wieder in die Kritik: Finden Sie, dass Hamburgs traditionelle Amüsiermeile auf dem richtigen Weg ist – und wenn ja, warum?
Ich halte nichts von dem verklärten Blick auf die Vergangenheit, der so tut, als sei früher alles besser gewesen. Wir müssen uns aber dessen bewusst sein, was die DNA des Kiezes ausmacht. Darum finde ich gut, dass die Stadt zum Beispiel bei der Entwicklung des Geländes der ehemaligen Esso-Häuser sehr genau hinschaut, was da entstehen soll und klar macht, dass da Clubs wie das Molotow auch dringend wieder ihren Platz finden müssen. Auch wenn ich mir wünschen würde, dass die Umsetzung nicht ganz so viel Zeit in Anspruch nimmt. Vor allem aber brauchen wir Festivals wie das Reeperbahn-Festival, das uns immer wieder bewusst macht, welchen Schatz wir mit der vielfältigen Club-Szene auf dem Kiez haben.