Erbaulich: das Kontorhausviertel

Wahrzeichen der Kaufleute: das Chilehaus (l.)

Die Speicherstadt? Kennt jeder, der schon mal in Hamburg war. Ein wenig anders sieht es hingegen mit dem zweiten Teil des Weltkulturerbes der Hansestadt aus: Das Kontorhausviertel kennt nicht mal jeder Hamburger. Sollte er aber. Denn hier hat sich der Handel der Stadt selbst ein Denkmal gesetzt.


Geografisch gesehen befindet sich das Kontorhausviertel im südöstlichen Bereich der Altstadt, zwischen Steinstraße, Meßberg, Klosterwall und Brandstwiete. Ende des 19. Jahrhunderts gehörte dieser Bereich zu den sogenannten Gängevierteln. Wer dabei aber an pittoreske kleine Gassen mit malerischen Häusern denkt, wie man sie heute in dem noch bestehenden Gängeviertel rund um den Bäckerbreitengang und den Valentinskamp sehen kann, irrt gewaltig. Die Gängeviertel früherer Tage zählten schlicht zu den Slums der Stadt.

Beengte Wohnverhältnisse und Armut in den Gängevierteln. ©Denkmalschutzamt FHH

Hier lebten die Menschen unter schlimmsten Bedingungen – bis 1892 eine verheerende Choleraepidemie die Stadt heimsuchte und vor allem in den Gängevierteln rund um die Mönckebergstraße und die Steinstraße wütete. Konsequenz: Sie wurden abgerissen. Südlich der Steinstraße entstanden auf dem frei gewordenen Areal die ersten Kontorhäuser der Stadt und bereits damals bewiesen die Planer internationalen Weitblick: Die Idee der Kontorhäuser stammt nämlich ursprünglich aus den USA.


In Hamburg markierte ihre Errichtung jedoch nicht nur einen vollkommen neuen Baustil, sondern auch eine neue Ära: Erstmals wurden nämlich die Bereiche Wohnen und Arbeiten konsequent getrennt. Die Kontorhäuser waren so konzipiert, dass man ihre Innenräume flexibel gestalten konnte. Expandierte also eine dort ansässige Firma und stellte mehr Mitarbeiter ein, konnte die Bürofläche ohne viel Aufwand vergrößert werden. Das erste Kontorhaus, der Dovenhof, stand von 1886 bis in die 1960er-Jahre dort, wo später das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zu Hause war, bevor dieses auch wieder umzog – Hamburg ist eben immer im Wandel.

Backstein in Mustern – typisch Kontorhaus

Fassade des Sprinkenhofs mit den typischen Backsteinmustern

Charakteristisch für die Kontorhäuser der Hansestadt war jedoch nicht nur die Idee, hier ausschließlich zu arbeiten, sondern auch die Gestaltung im sogenannten Backstein-Expressionismus. Dabei wird der Klinker gezielt zu Mustern gesetzt, die die Fassade eines Gebäudes besonders lebendig erscheinen lassen. Darüber hinaus zeichnet sich diese Architektur-Spielart durch spitze und kantige Elemente aus.

Zum Kern des Hamburger Kontorhausviertels gehören der Mohlenhof, der Sprinkenhof, der Meßberghof, der Montanhof und natürlich das Chilehaus – ein echtes Hamburger Wahrzeichen. Diesem sollte man sich von Südosten her nähern. Denn von dort aus gesehen, ragt das imposante Gebäude mit seinen zehn Stockwerken wie ein gigantischer Schiffsbug in den Himmel und man kann die geschwungene Fassade mit ihren 2800 Fenstern besonders gut sehen.

Prachtvolle Vergangenheit der Kaufleute

Das Chilehaus von innen: Glanz und Gloria der Kaufleute

Innen zeugt das Chilehaus von der prachtvollen Vergangenheit der Hamburger Kaufleute: Ein großzügiger Innenhof, Mahagonitüren, kunstvolle Ornamente und geschwungene Treppenhäuser sind charakteristisch für das Flagschiff des Kontorhausviertels. Seinen Namen hat das Chilehaus übrigens von seinem Bauherren: Henry Brarens Sloman war als junger Mann von Hamburg aus nach Chile ausgewandert und dort mit Salpeter reich geworden. Wieder zurück in der Heimat, beauftragte er den damaligen Hamburger Star-Architekten Fritz Höger mit dem Entwurf dieses Kontorhauses, für das 750 Güterwagen Zement und mehr als 4,5 Millionen Ziegelsteine verbaut wurden.

Ein guter Tipp für alle, die erstklassige Hausmannskost und eine echte Kneipe schätzen: „Im Sprinkenhof“

Das Hamburger Kontorhausviertel hat seine Bestimmung übrigens bis heute. Hier sind Anwaltskanzleien, Im- und Exportfirmen oder Reedereien ansässig. Darüber hinaus ist das Viertel aber auch ein echtes Paradies für alle, die nach ungewöhnlichen Mitbringseln von ihrem Hamburg-Besuch suchen: Hier gibt es handgemachte Seifen aus der „Rigaer Seifenmanufaktur“, kubanische Zigarren aus der „Casa de Habano“ oder handmade Elbsegler von „Der Mützenmacher“. Direkt gegenüber dem Chilehaus, am Meßberg 1, liegt eine Sehenswürdigkeit, die man ebenfalls nicht verpassen sollte: Das Schokoladenmuseum Chocoversum nimmt den Besucher mit auf eine faszinierende Reise vom Regenwald über den Hamburger Hafen bis hin zu den Manufakturen, in denen aus der bitteren Kakaobohne süße Leckereien werden…

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