Ein Interview zur Pandemie – historisch gesehen

Prof. Osten in der Pandemie-Ausstellung. Ein Bereich ist der Pest gewidmet

Im Medizinhistorischen Museum Hamburg, das zum UKE gehört, ist zurzeit eine Sonderausstellung zu sehen, die aktueller nicht sein könnte: Pandemie – Rückblicke in die Gegenwart. Wir haben mit dem Medizin-Ethiker und Museumsdirektor Prof. Philipp Osten gesprochen

Warum die Sonderausstellung Pandemie?

Dazu gab es mehrere Gründe. Einer davon: Wir haben in der letzten Nacht der Museen 60.000 Zugriffe auf die Online-Darstellung unseres Museums gehabt. Das hat uns gezeigt, wie groß das Interesse ist. Natürlich ist die aktuelle Pandemie im Blickpunkt aller Menschen, aber es gibt auch viele spannende Parallelen zwischen der aktuellen Situation und früheren Epidemien.

Wie bringt die Sonderausstellung das Wissen um Pandemien an die Besucher?

Dazu haben wir verschiedene Möglichkeiten genutzt. Zum einen Bilder und Modelle des Corona-Virus und seiner Varianten. Zum anderen aber sind natürlich auch andere Pandemien, die Hamburg mit voller Wucht getroffen haben, in diesem Kontext interessant.

Auch dem Thema Impfen ist ein Bereich der Ausstellung gewidmet

Nehmen wir als Beispiel die Pest: Diese Katastrophe brach 1713 über Hamburg herein – und sie kam nicht ohne Ankündigung. Allerdings wurde damals im Interesse der Wirtschaft entschieden: Der Rat der Stadt weigerte sich, den Hafen zu schließen, und beschränkte die Eindämmung der Pest zunächst auf symbolische Maßnahmen. In der Folge wurde jeder fünfte Einwohner der Stadt von der Pest dahingerafft.

Noch dramatischer als die Pest war in Hamburg allerdings die Cholera.

Das ist richtig. Hamburg war Schauplatz der letzten großen Cholera Epidemie in Europa, mit 8000 Toten. Auch hier spielte die Wirtschaft eine Rolle: Denn man hatte sich das Geld für die Filteranlagen gespart, die das aus der Elbe stammende Wasser trinkbar machen sollten.  

Con der spanischen Grippe bis zu Impfgegnern

Ein weiterer Aspekt der Sonderausstellung dreht sich um die Spanische Grippe…

…und die lässt sich in vielen Punkten tatsächlich mit der heutigen Pandemie vergleichen. Nicht nur, weil auch Grippeerreger bei Menschen und Tieren vorkommt. Auch die Bekämpfung der Spanischen Grippe zeigt deutliche Parallelen zu den heutigen Maßnahmen: Schließung von Theatern, Verlängerung der Ferien für Schulkinder und vieles mehr.

Viren stehen im Mittelpunkt des aktuellen Pandemiegeschehens – und auch der Ausstellung

Damals wie heute hatten wir es zudem mit einer Überlastung des Gesundheitssystems zu tun. Bei der Spanischen Grippe wurde der noch nicht fertiggestellte Sektionssaal als Notlazarett umfunktioniert, um Patienten aufnehmen zu können. Genau dort ist übrigens jetzt die Pandemie-Ausstellung zu sehen.

Wer durch die Pandemie-Ausstellung geht, stellt fest: Impfgegner gab es auch damals schon…

Das ist richtig. Und sie sind auch immer ein Spiegel der jeweiligen Gesellschaft. Wir zeigen eine der ersten Impfgegner-Karikaturen aus dem Jahr 1802. Den mit Kuhpocken Geimpften wachsen Hörner und Kuhfüße. 

In der Ausstellung ist auch ein Bild von Carl Gottlob Nittinger zu sehen. Was hat es damit auf sich?

Es ist ein antisemitisches Pamphlet von 1850. Nittinger war ein entschiedener Gegner der Pockenimpfung und behauptete, diese würde die Bevölkerung dezimieren. Stattdessen hat die Impfung die Kindersterblichkeit in Württemberg, wo Nittinger lebte, um 20 Prozent gesenkt…

Medizinhistorisches Museum
Martinistraße 52
Öffnungszeiten:
samstags und sonntags 13 bis 18 UhrNedi

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