Feiern auf der Reeperbahn wie hier im Thomas Reed, war auch schon zu Großvaters Zeiten angesagt. Die Mischung auf St. Pauli und der Reeperbahn ist einzigartig. Die Amüsiermeile hatte eine bewegte Geschichte. Die Reeperbahn ist eine pulsierende Meile auf der sich historsches und modernes, goldenes und rostiges auf wenigen Metern gegenübersteht.
Heute lungern an der Reeperbahn 110-114 die unterschiedlichsten Personen herum – meistens auf der Jagd nach Billigalkohol. Andere eilen herein, um ihre Taschen mit Nahrungsmitteln oder ähnlichen Errungenschaften zu füllen. Kaum einer ahnt, dass er sich wirklichen historischen Räumlichkeiten befindet. Die Kühltresen und Discounterregale lassen es auch kaum erahnen. Die Geschichte dieses Hauses startet unter dem Namen ALKAZAR in den Zwanziger Jahren mit dem ursprünglichen Besitzer Arthur Wittkowski, der das Haus von 1925-1933 leitete. Das Alkazar erfreute sich als Tanz und Varietétheater bald größter Beliebtheit, genoss aber auch den Ruf, ein anrüchiges Lokal zu sein. Die Machtübernahme Hitlers 1933 besiegelte Wittkowskis Abstieg. Da sich Wittkowski häufig kritisch und abwertend gegen das NS-Regime äußerte, geriet er bald in das Visier der Gestapo. 1934 wurde er aufgrund seiner politischen Einstellung zweimal in der Vollzugsanstalt Fuhlsbüttel in Schutzhaft genommen.
Somit erfolgte die Umbenennung in ALLOTRIA.
Der Name Alkazar und damit die Nähe zu einer spanischen Stadt, war den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge und der neue Direktor Georg Leopold, der die einst so berühmte Stätte sensationeller Unterhaltungsshows Ende der 50er Jahre schließen musste.
Beide könnten, zumindest was ihre Gesinnung während der NS- Zeit betrifft, nicht unterschiedlicher sein. Offenbar hatte Wittkowski den Verlust der eigenen Existenzgrundlage seiner offenen Regimekritik zu verdanken – was Georg Leopold mit seinen guten Kontakte zu führenden Parteimitgliedern sowie seiner NSDAP-Mitgliedschaft am Ende die „Goldgrube Alkazar“ in die Hände spielte.
Wittkowski war der „große Verlierer“ in der Geschichte des „Alkazar“. Verarmt und verwahrlost brach er 1960 auf Hamburgs Straßen tot zusammen.
Ob ALKAZAR oder ALLOTRIA, ob Wittkowski oder Leopold. Die Berühmtheit des Hauses begründet sich unter beiden Führungen auf den sensationellen Darbietungen artistischer, komischer, musikalischer und, an erster Stelle, erotischer Kunst. Aufgeführt auf einer Bühne, die an technischer Raffinesse schwer zu überbieten war.
Nach der Schließung in den 50er Jahren folgten unterschiedlichste gastronomische und Entertainmentkonzepte. Am längsten und am erfolgreichsten hat hier noch das Zillertal existiert. Die Immobilie fiel dann der Familie Osmani in die Hände. In diesem Kreise entschied man sich dann offensichtlich dafür, das Objekt demjenigen zu geben, der die höchste Pacht zahlen konnte. Kulturbetriebe können da natürlich mit Discountern nicht mithalten. Also müssen wir offensichtlich damit leben, dass eines der berühmtesten und schönsten Revuetheater dieses Stadtteils, mit seinen Holzintarsien und Marmorausstattungen hinter Leichtbauwänden versteckt ist. Aber wenn man ganz genau hinhört, kann man die Tiefkühlbrötchen singen hören und die Hähnchenschnitzel tanzen dazu. Foto: Stephen ThomasIm Kiezmuseum auf St. Pauli erfährt man mehr über St.Pauli & Reeperbahnkultur; aktuelles und historisches. Buchautorin Julia Staron schreibt regelmäßig beim Hamburg Führer print&online über die Reeperbahn. Sie hat das HERZ für St. Pauli