Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das gilt auch in Hamburg. Denn wenn man nach den beliebtesten Routen für die Fahrradtour fragt, kommen eigentlich immer die gleichen Strecken. Zum Beispiel an der Elbe lang in Richtung Blankenese. Dabei gibt es genug Orte in der Hansestadt, die eine Erkundung lohnen. Dazu gehören auch Finkenwerder, Altenwerder, Moorburg und die Harburger Berge.
Finkenwerder: Airbus und Äpfel
Die ehemalige Elbinsel steckt voller spannender Kontraste. Hier ist mit Airbus ein echter Hightech-Gigant zu Hause. Hier herrscht aber auch eine nahezu dörfliche Idylle bis hin zu allerlei Apfelbäumen. Denn Finkenwerder ist nicht zuletzt die Heimat des „Finkenwerder Herbstprinz“, einer alten Sorte, die ebenso fruchtig wie säuerlich schmeckt. Da ist es auch kein Wunder, dass man am Finkenwerder Landscheideweg oder am Neuenfelder Deich den einen oder anderen Apfelbauern findet.
Doch auch Architekturfans kommen in Finkenwerder auf ihre Kosten. Was viele nicht wissen: Der legendäre Oberbaudirektor Fritz Schumacher, der Hamburg so legendäre Gebäude wie die Davidwache, das Holthusenbad oder das Museum für Hamburgische Geschichte schenkte, hat auch in Finkenwerder seine Spuren hinterlassen. Die Gorch Fock Halle im Focksweg wurde nämlich ebenfalls von ihm entworfen. Hier findet man auch Spuren des Bildhauers Richard Emil Kuöhl. Aufmerksame Leser des Hamburg Guide kennen diesen Namen: Kuöhl hat auch Plastiken am Chilehaus gestaltet. An der Gorch-Fock-Halle erinnert die Skulptur eines Fischers an ihn.
Die Liebe zur See
Wesentlich neuer als die Gorch-Fock-Halle, die von 1929 bis 1930 erbaut wurde, ist der Kutter auf dem Kreisverkehr am Finkenwerder Marktplatz – der steht nämlich erst seit ein paar Wochen hier. Auf der Finkenwerder Feltz-Werft wurde das Modell angefertigt „Es trägt die Merkmale verschiedener Finkenwerder Schiffe, damit sich keine der Fischerfamilien benachteiligt fühlt“, erklärte Stefan Meier vom Verein Maritimes Finkenwerder gegenüber dem Hamburger Abendblatt. Meier hat bei den zuständigen Behörden auch eine Hochseefischereinummer für das Modell beantragt – und bekommen „Sie lautet HF 575“, sagt er, „und es ist wohl die letzte fortlaufende Nummer mit dem Finkenwerder Kürzel HF, die das Amt herausgibt, denn die Seefischerei ist hier Geschichte.“
Die Liebe zur See allerdings ist in Finkenwerder geblieben. Denn der Bootsbau ist hier bis heute lebendige Tradition Die Schiffswerft von Cölln zum Beispiel besteht seit 1767. Heute werden am Kölhfleet-Hauptdeich vor allem Boote repariert.
Hier findet man übrigens auch den kleinen, etwas versteckten Museumshafen von Finkenwerder – und das Herz des Stadtteils. Denn hier lag früher die Fischereiflotte Finkenwerders. 1993 entstand dann auf Initiative einiger Privatleute der Museumshafen mit ehemaligen Arbeitsschiffen.
Besonders schön an Finkenwerder ist die dörfliche Atmosphäre, bei der man den Großstadttrubel vergisst. Vor allem in der Gegend rund um den Auedeich. Hier findet man neben Fachwerkhäusern auch noch einige Gänge, also handtuchschmale Straßen.
Falls sich jemand übrigens fragt, woher der Name Finkenwerder eigentlich stammt, liegt er nicht falsch, wenn er an den Vogel denkt. Höchstwahrscheinlich nämlich wurde der Name zusammengesetzt aus Vynken (Finken) und Werder (Flussinsel). Im 16. Jahrhundert sollen dort nämlich jede Menge Singvögel gefangen worden sein.
Altenwerder: Das Flair der großen, weiten Welt
Dass der Hafen das Herz Hamburgs ist, wird wohl nirgendwo so deutlich wie in Altenwerder, das man mit dem Rad in rund 25 Minuten von Finkenwerder aus erreicht. Auch das war früher einmal ein Dorf. Aber heute zeugt davon nur noch die Kirche St. Gertrud mit dazugehörigem Friedhof. Der Rest musste in den 1970er Jahren der Hafenerweiterung weichen. Dafür ist die Kirche auch heute noch beliebt, unter anderem für Hochzeitspaare. Direkt neben dem Gotteshaus findet man den „Garten der Hoffnung“, in dem Ehepaare zahlreiche Bäume zur Erinnerung gepflanzt haben.
Das Dorf Altenwerder lebte vor der Hafenerweiterung vor allem von der Fischerei, dem Obst- und Gemüseanbau, der wegen des fruchtbaren Marschbodens gute Ernten garantierte. Das wussten die Menschen auch schon sehr früh. Die ältesten Dokumente, in der die Siedlung erwähnt wurde, stammen laut Historikern aus der Zeit um 1250. Dazu passt auch, dass Altenwerder früher Oldenwerdere genannt wurde – also alter Flussarm.
Terminal trifft Hausmannskost
Zu gucken gibt es eine ganze Menge. Zum Beispiel den HHLA Container Terminal Altenwerder mit seinem 1.400 Meter langen Ballinkai. Einer der modernsten Containerterminals der Welt und man findet es am Köhlbrand, einem Seitenarm der Elbe, zwischen Kattwyk-Brücke und Köhlbrandbrücke. Auch sonst ist Altenwerder ein Paradies für alle, die ein Herz für Industrieromantik haben. Oder die auf der Suche sind nach ungewöhnlichen Fotomotiven.
Doch auch Freunde deftiger Hausmannskost sollten ruhig öfter mal einen Abstecher nach Altenwerder machen. Der Trucker Treff am Altenwerder Hauptdeich ist nämlich eine echte Legende. Im hellgrün gestrichenen Gebäude macht Inhaberin Bärbel Ulikza seit Jahrzehnten nicht nur Fernfahrer satt und glücklich.
Moorburg: alt aber gut
Tatsächlich: Moorburg war einst der älteste Stadtteil Hamburg südlich der Elbe – und bis 1937 auch der einzige. Den Namensteil Burg verdankt Moorburg einer Wehranlage, die 1390 gebaut wurde, um den Schiffsverkehr auf der Elbe kontrollieren zu können. Heute gehört Moorburg zum Gebiet der Hafenerweiterung. Jedoch herrschen hier keine Containeranlagen vor – lange Zeit herrschte Ruhe in Sachen Hafenerweiterung.
Allerdings wurde Moorburg Ende Januar zum Thema im Senat. Denn die Handelskammer Hamburg hat dort ihren Zukunftsplan vorgestellt. Und da tauchte das Stichwort Moorburg wieder auf. Erstaunlich nach den ganzen Auseinandersetzungen mit Anwohnern und Umweltschützern. Und ebenfalls erstaunlich, weil die Politik das Thema Moorburg bis 2024 nicht mehr auf die Agenda heben wollte. Doch die Wirtschaftsvertretung vom Adolphsplatz präsentiert in ihrem Strategiepapier einen Nutzungsvorschlag. „Ursprünglich für den wachsenden Containerumschlag vorgesehen, hat Hamburg jetzt die Chance, dieses Gebiet als Standort für die Erzeugung klimafreundlicher Energie und alternativer Energieträger wie Wasserstoff zu positionieren.“ Der Widerspruch aus Moorburg ließ nicht lange auf sich warten – die insgesamt 721 Anwohner fürchten um ihr Zuhause.
Verständlicherweise, denn Moorburg hat in den vergangenen Jahren eine spannende Entwicklung durchgemacht. Nachdem im Zuge der geplanten Hafenerweiterung nämlich rund 80 Prozent der dort lebenden Menschen den Stadtteil verlassen hatten, erlebte Moorburg in den letzten Jahren einen spannenden Wandel: immer mehr Künstler siedelten sich in dem idyllischen Gebiet an, in dem es Bauernhöfe, Obstplantagen und viel Ruhe gibt.
Harburger Berge: Alpenfeeling im Norden
Zugegeben, jeder echte Bergfex grinst, wenn er die Harburger Berge zu Gesicht bekommt. Aber in solchen Fällen kuriert ein Besuch der Kärntner Hütte in den Hamburger Bergen. Denn hier gibt es österreichische Spezialitäten vom Feinsten, darunter auch einen nahezu göttlichen Kaiserschmarren und butterzartes Wiener Schnitzel.
Darüber hinaus sind die Harburger Berge ein wunderbares Gebiet, wenn man Natur tanken möchte. Wer hier allerdings mit dem Rad unterwegs sein möchte, braucht wahlweise ein Mountainbike, sieben Gänge oder Strom-Unterstützung, sprich ein E-Bike.
Apropos Alpenfeeling: An der Westflanke des Reiherbergs findet sich eine Schneise, die als beste Ski- und Rodelstrecke Hamburgs gilt. Kaum zu glauben, aber wahr: Hier gab es früher sogar einen Skilift – genauer gesagt, war dieser bis 1978 in Betrieb. Hoch oben auf dem Berg befindet sich auch heute noch eine Freiluftkirche. Ansonsten haben die Waldwege hier Namen, die an Grimms Märchen denken lassen. Sie heißen beispielsweise Eulenflucht, Dachsschlucht und Mardergrund, ein Stück weiter sind Wildschweine in einer tiefen Senke mit dem Namen Diebeskuhlen zu Hause. Wer jetzt allerdings denkt, dieser Name hätte etwas mit Langfingern zu tun, irrt sich – der Begriff kommt von „dieb“ für tief.