Kolumne von Maximilian Buddenbohm – Auf der igs

Auf der igs geht es da um Gärten, und was interessieren mich schon Gärten? Genau, Gärten interessieren mich rein gar nicht. Gärten sind eben da, irgendwer macht immer irgendwo Gärten. Ab und zu sehen sie ganz nett aus, oft aber auch nicht, ich nehme beide Phänomene im Stadtbild mit größter Gelassenheit und Toleranz zur Kenntnis. Ich würde aber ganz sicher nicht in eine Ausstellung gehen, um mir Gärten anzusehen.
Ich könnte auch einfach als Hamburger Bürger auf die igs gehen, das ist immerhin eine der touristischen Hauptattraktionen in diesem Jahr. Da wurde ziemlich viel öffentliche Fläche verbaut oder begrünt, da wurden meine Steuergelder im wahrsten Sinne des Wortes vergraben, das kann man sich doch ansehen? Nun ja. Kann man wohl. Das klingt allerdings auch nicht überzeugend und verlockend. Ich kann aber, und da wird es endlich sinnvoller, auf die igs gehen, weil es dort ganze fünf nagelneue Spielplätze gibt und ich zwei Kinder im richtigen Alter dafür habe! Und weil zumindest eines der Kinder von diesen Spielplätzen gehört hat und mir daher vorschlug, einfach darüber eine Kolumne zu schreiben, denn dann könnten wir doch kostenlos dahin… und das Kind grinste mich an und guckte fragend, ja, Papa, können wir doch? Es ist immer ein schönes und besonderes Erlebnis, wenn der Nachwuchs den Beruf der Eltern endlich versteht und auch noch als sinnvoll erkennt.
Wir waren also an einem Tag mit gutem Wetter auf der igs, um uns die Spielplätze anzusehen und sie zu testen. Die igs war auch an diesem Tag bestenfalls mäßig besucht, mit Menschenmassen ist dort wirklich nicht zu rechnen. Kein Gedrängel, keine Schlangen, nicht an den Kassen, nicht an den Eisbuden oder an den Pommesklappen. Vor denen übrigens Touristen stehen und statt der Blumen ringsum die Preisschilder mit dem Wert der Wurst fotografieren, damit sie daheim etwas Tolles zeigen können. Und mehr muss man über die Preispolitik der igs wohl nicht wissen.

Es laufen nicht viele Menschen herum und auf den Spielplätzen wenig Kinder. Oder, um präzise zu sein – auf drei von fünf Spielplätzen gar keine Kinder, bis wir kamen. Das ist für Kinder auf den ersten Blick ganz nett, hurra, alles frei, da kann man alles sofort machen! Alles meins! Auf den zweiten Blick ist es etwas beklemmend und auf den dritten Blick geht man lieber weiter, zum nächsten Spielplatz. Wo die anderen Kinder womöglich stören, aber eben dazugehören. Leere Spielplätze sind einfach deprimierend.

Das Gelände der igs ist nicht sehr groß, wenn man erwachsen und gut zu Fuß ist. Das Gelände der igs ist aber ziemlich groß, wenn man kleine Kinder dabei hat. Kleine Kinder, die früh müde werden, aber nicht mehr im Buggy sitzen und zu groß sind, um dauernd getragen zu werden, kleine Kinder zwischen drei und fünf Jahren also. Meine Kinder sind drei und fünf Jahre alt. Da nimmt man am besten diese aufgeständerte drollige Bahn mit der Monoschiene, damit kommt man über das ganze Gelände, einmal im Kreis mit vier Stationen. Eine Station fahren, aussteigen, Spielplatz suchen, spielen, weiterfahren, das geht auf, das macht auch den Kindern Spaß. Man fährt wie in einem Weltraumbahnhof, große Freude bei den Kleinen. Allerdings kostet die Bahn extra, und gar nicht wenig. Das mag den einen oder anderen schon überraschen, für mich lag die Überraschung des Tages allerdings darin, dass ich für diesen wirklich stolzen Extrapreis nur genau einmal im Kreis fahren darf. Danach fliegt man raus und das ist, das kann man nicht umschreiben, wirklich dreist. Es wäre nämlich recht nett, eine Runde im Kreis zu fahren, sich die ganze Sache in Ruhe von oben zu besehen und dann hier oder da noch einmal auszusteigen. Aber das darf man nicht und da waren wir alle erst einmal ein wenig beleidigt und haben im Familienverbund probiert, wer die Unterlippe am weitesten vorschieben kann.
Der erste Spielplatz, den wir gefunden haben, war “Hütten und Paläste”. Der ist eher klein, im Grunde ist es nur ein etwas exzentrisches Klettergestell. Der Dreijährige kam noch nirgendwo richtig an, konnte also nicht richtig klettern und stand schließlich mit immer weiter vorgeschobener Unterlippe daneben, der Fünfjährige kletterte einmal durch, fertig. Der Spielspaß war noch nicht im messbaren Bereich. Hinter dem Spielplatz eine industriell anmutende Wand, es war kein Mensch außer uns zu sehen, wir gingen lieber weiter.

 

Der zweite Spielplatz, “Der verlorene Garten”. Das soll Atlantis darstellen und besteht aus ein paar mehr oder weniger versenkten Röhren. Da kann man durchkrabbeln, was die Söhne pflichtgemäß erledigten. Aus der einen Röhre kann man nach oben durchgucken, blau spiegelndes Glas in einer Röhre in der Röhre. Das ist ein netter optischer Effekt für Erwachsene, den Kindern ist das natürlich völlig schnurz. Die Betonröhren sehen selbst mit der Phantasie eines Fünfjährigen betrachtet nach Betonröhren aus, der große Spielplatztester wurde allmählich etwas misstrauisch und fragte, ob denn wohl noch mehr käme? Der kleine Spielplatztester dagegen stapfte entnervt mit den Worten “Blöde Blumen” quer durch die umliegenden Rabatten, Blüten flogen abgeschlagen durch die Gegend, bis wir ihn endlich wieder einfangen konnten.

 

Der dritte Spielplatz, “Wüstenwellen”. Da wurde es dann endlich besser, da kam doch noch Freude auf. Dünen mit Gummibelag, da kann man rauf und runterrennen, das gibt es so sonst nicht. Da sind Trampoline eingebaut, Trampoline sind natürlich immer gut. Kletternetze auf den Dünen, ein Kletterhaus daneben, eine Rutsche an einer Düne und die ganze Anlage so groß, dass es eine Weile dauert, bis die Kinder alle Kletterkonstellationen, Laufpisten und Hüpfszenarien durchhaben. Die Rutsche wird schön schnell, wenn man sich auf eine Jacke setzt, doch, das ist wirklich gut gemacht. Die Kinder waren plötzlich deutlich entspannter.

  

Der vierte Spielplatz, “Die geheimnisvolle Insel”, das war dann endlich die Offenbarung des Tages. Der Spielplatz ist groß, vielfältig, originell und toll. Da waren auch gleich ein paar Kinder mehr drauf, da turnten noch ein paar Erwachsene an den Gerüsten herum oder schaukelten auf überdimensionierten Riesenschaukeln, da war endlich wirklich Leben auf dem Platz, auch wenn man es auf den Bildern nicht erkennt. Für jede Altersgruppe ist da etwas dabei. Hier könnte man es auch länger aushalten. Gleich daneben hängen spaßige Schaukelstühle für Erwachsene in den Bäumen, Toiletten gibt es auch, das ist alles sehr in Ordnung. Wer mit Kindern zur igs geht – am besten gleich hierhin oder zum Wüstenspielplatz, dann steigt die Stimmung verlässlich.

  

Der fünfte Spielplatz, “Windflüchter”. Da ist dann wohl niemandem mehr ein schicker Name eingefallen, da musste also der Begriff aus der Botanik herhalten. Das ist ein eher uninspirierter Wasserspielplatz, da gibt es deutlich bessere Anlagen in der Stadt, zum Beispiel auf dem Gelände der historischen Gartenschau Planten und Blomen. Ein Park, der bekanntlich keinen Eintritt kostet und auch ein paar Spielplätze zu bieten hat, und nicht einmal die schlechtesten. Auf denen an jedem Tag der Teufel los ist. Und die viel größer sind als die auf der igs und an deren Rand man Kaffee, Pommes und Eis zu normalen Preisen bekommt und nicht plötzlich an die Preise auf der Cebit denken muss. Und wo es ringsum übrigens auch riesige Blumenbeete gibt und wo man, wenn man die beiden Parks vergleicht, die Welt nicht mehr versteht.

Neben diesem fünften Spielplatz sind jedenfalls aus Gründen, die ich schon wieder vergessen habe, riesige Holzkisten aufgestapelt. Das sagt natürlich irgendwas aus, dieser Kistenstapel, denn auf der igs sagt alles dauernd irgendwas aus, das ist wie bei der Kunst im öffentlichen Raum. Findet man ein kleines Schildchen, wird man schlagartig erhellt und belehrt. Findet man kein Schildchen, steht man wie Ochs vorm Berg und denkt aha, Holzkisten, schau, schau. Wie man eben auch vor dem Rathaus einer Kleinstadt steht und “ah, ein Stahlknäuel” denkt, bis einem jemand erklärt, was es sein soll. Alle paar Meter steht auf der igs irgendwas in der Gegend herum, Stahlkugeln mit Stacheln dran, Reagenzgläser mit Algen drin, Wasserkanister zu Tausenden, Bambusgerüste, Teekisten oder auch ein Indianerzelt. Ein Fernrohr auf einer Pyramide, ein Schiffswrack, irgendein Arrangement aus leeren Dosen, ein Kamel aus Stahl. Dauernd denkt man: hä?

Und man findet keine Antwort, wenn man Kinder dabei hat. Denn wenn man so ein kleines Schild liest, das einen erhellen soll, machen die Kinder währenddessen Unfug, hauen ab oder klettern irgendwo drauf. Und wenn man doch einmal ein Schild ganz durchliest, dann liest es sich leider wie die Erläuterung zu den Ergebnissen der Projektwoche irgendeiner gymnasialen Oberstufe. Nichts gegen die Projektwochen gymnasialer Oberstufen, aber wenn man ehrlich ist und die eigenen Kinder nicht gerade in dieser Oberstufe hat – da ist noch Luft nach oben. Die amerikanischen Werte mit einem Monopoly-Spiel zu erläutern, ja, das kann man machen, klar. Das ist nett und bemüht. Toll oder innovativ geht aber sicherlich anders. Und warum überhaupt amerikanische Werte auf der Gartenschau? Warum nicht Trends aus dem Urban Gardening, warum nicht etwas über Öko-Bio-Gärtnerei, warum nicht etwas zur Stadtbegrünung, zum Gemüse auf dem Balkon? Zu Gärten in den Slums der Dritten Welt, da gibt es großartige Projekte, oder etwas zu den Gärten der Superreichen, was weiß ich. Wenn man etwas nachdenkt, dann fallen einem doch spannende und aktuelle Gartenthemen ein, abseits von amerikanischen Werten und Monopoly?
Mitten auf dem igs-Gelände gibt es übrigens Schrebergärten, und gar nicht wenig. Die waren schon vorher da, die hat man wohl nicht wegbekommen und musste also um sie herumbauen. Und aus dieser unfassbaren Steilvorlage, echte, fertige, jahrelang liebevoll gepflegte Gärten aus lebendiger Tradition mitten auf dem Gelände vorrätig zu haben, was macht man daraus? Nichts. Gar nichts. Die sind da einfach nur, die Schrebergärten. Da geht man eben dran vorbei. Keine Erklärung dazu, kein Versuch, sie irgendwie einzubinden, kein Brückenschlag. Durch die Schrebergärten aber stromern die einheimischen Kinder der Elbinsel und versuchen, den Touristen händeweise frisch gepflückte Johannisbeeren zu abenteuerlichen Höchstpreisen durch die Zäune zu verkaufen. Ein schönes Lehrstück über einen aufstrebenden Stadtteil, durch den bis vor ein paar Wochen kein Tourist freiwillig gelaufen wäre. Aber das ist inoffiziell, dieser Beerenhandel, versteht sich, der kommt nicht von der igs. Ich habe trotzdem sehr gelacht.
Auf den großen Holzkisten am Rande des Wasserspielplatzes jedenfalls, und das wollte ich eigentlich sagen, ist das Klettern verboten, obwohl die bestimmt prima zu erklimmen wären. Sie liegen wirklich einladend direkt neben dem Spielplatz. Da ist kein Zaun dazwischen. Nur ein Hinweisschild, immer ist hier alles mit Schildern erläuert, wie in einem Museum. Die Kinder standen vor dem Holzkistenstapel und wollten da rauf. Und spätestens hier hätte ich mit den Machern der igs dann doch gerne einmal ein ernstes Wort geredet, was sie sich eigentlich dabei gedacht haben. Aber das denkt an irgendeinem Punkt im Park vermutlich jeder, der da durchläuft.

Man lasse sich aber nicht täuschen, das sind natürlich nur langweilige Erwachsenenvorbehalte. Die Kinder fanden es toll da. Wenn die Kinder die eigentliche Zielgruppe wären – herzlichen Glückwunsch, die Zielgruppe war komplett zufrieden und kommt gerne wieder. Großartige Bahn, sie wären gerne auch fünf Runden damit gefahren. Zwei tolle Spielplätze und der mit dem Wasser doch immerhin nett, Wasser ist sowieso toll. Viele obskure Dinge in der Gegend, Kinder mögen so etwas, die brauchen dafür gar keine Erklärungen. Es gibt Eis, es fahren keine Autos herum, die einen überfahren können. Aus Kindersicht kann man da auch ein zweites Mal hin, sehr gerne sogar, und am besten bald. Und um Kinder geht es in dieser Kolumne schließlich. “Wie fandet ihr den Ausflug?” “Das war super. Musst du auch so schreiben, Papa.” Na, vielleicht können sie ja noch einmal hin, etwa mit dem neuen Großelternrabatt. Dann aber gerne ohne mich. Die Großeltern haben bestimmt auch viel mehr Interesse an den Blümchen als ich.

Eines der wenigen Schildchen, das ich in Ruhe gelesen habe, informierte mich übrigens darüber, dass es Bambus-Sorten gibt, die bis zu einem Meter pro Tag wachsen. Das geht mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf und ich will nicht unfair sein, ich habe von der igs dann doch genau einen begeisternden Gedanken mitgenommen. Das muss man sich mal vorstellen! Einen Meter. Pro Tag. Der Hammer. Was man eben so lernt, auf einer Gartenschau. Wirklich inspirierend, doch, doch.

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