Die Herbertstraße (ehem. Heinrichstraße) ist eine Straße, die seit Beginn der Bebauung im 19. Jahrhundert zur Prostitution (von heute rund 250 Frauen) genutzt wird. Die Herbertstraße ist berühmt, sehr berühmt, fast so berühmt wie „die Meile“. Das wohl kaum, weil Prostitution auf St.Pauli etwas so Besonderes ist. Die Berühmtheit wird den Toren geschuldet sein. All zu oft stehen ganze Frauengruppen davor und sind enttäuscht, dass ihnen der Zugang verwehrt bleibt. Während meiner Stadtführungen begegnet mir meist Unverständnis seitens der weiblichen Gruppenmitglieder, während sich die männlichen wiederum privilegiert fühlen.
Wenn ich dann die Damen frage, was sie denn so reizvoll daran finden, Geschlechtsgenossinnen in den Fenstern zu beobachten, während diese ihren Job machen, der erwachsenen Menschen nicht all zu fremd sein sollte, bekomme ich selten eine belastbare Aussage. Allein das Nicht-Dürfen ist Anreiz genug. Aber was heißt hier eigentlich „Nicht-Dürfen“.
Es gibt kein Gesetz und keine Verordnung, die den Zugang tatsächlich untersagen. Auch wenn auf den Toren „Zutritt für Jugendliche unter 18 und für Frauen untersagt“ steht. Kein Polizist wird diese Aussage durchsetzen dürfen oder gar wollen. Und dennoch halten sich alle – vor allem St. Paulianer – daran. Vor allem weil das Gezeter bei einem Verstoß verbal wie auch körperlich ungeahnte Dimensionen annehmen kann. Die Schilder befinden sich dort auf Bitten der Prostituierten, weil – und das ist mehr als verständlich – sie dort eben einen Job machen und ungern zur Jahrmarktattraktionen avancieren wollen.
Aber wie kommt es eigentlich zu Toren und rechtlich nicht haltbaren Verboten? Diese sind ja kaum vom Himmel geschickt worden. Die Mitteilung, dass sich die Tore erst seit 1933 dort befinden und heute eigentlich ein Relikt des Nationalsozialismus darstellen, führt immer wieder zu Erstaunen.
Zur Zeit des Nationalsozialismus herrschte ein Verbot von Striptease und Prostitution. Da jedoch ein Verbot des auf St. Pauli typischen Gewerbes nicht konsequent durchgesetzt werden konnte oder besser zum Vorteil der Glückseligkeit der so wichtigen Marine auch nicht durchgesetzt werden wollte, wurden diese Tätigkeiten nur in einer Gasse geduldet – in der Herbertstraße. Damit niemand im Vorbeigehen sehen konnte, was eigentlich nicht sein durfte, ließ die Gauleitung Sichtblenden an beiden Enden der Straße errichten.
Und heute? Heute stehen sie noch da, weil sie eben niemand weggenommen hat und sind die letzte Intimsphäre St. Paulis.
Wer mehr über die Geschichte des wohl berühmtesten und spannendsten Vorort der Welt erfahren möchte, sollte einen Blick in das Sankt Pauli Museum werfen.
Eine der vielen Überraschungen ist: das Ganze fing mit einem Kloster an!