Hamburg entdecken – Hamburgs Père Lachaise

Hamburg entwickelt sich zur Fahrradstadt. Schließlich bringt uns unser geliebter Drahtesel schnell von A nach B und lässt sich dazu überall abstellen. Klar, dass auch Fahrradtouren durch die Stadt immer beliebter werden. Alster, Elbe oder Umland: alles tolle Ziele, die wir schon mit Freude angefahren sind. Eine andere Art von Fahrradtour kann man im Norden unserer schönen Stadt unternehmen. Der Ohlsdorfer Friedhof ist vielen als Ausflugsziel sicher nicht so geläufig, aber immer eine Rundfahrt wert. Und das Schöne ist: Jeder kann mitmachen. Der Vergleich mit dem berühmten Friedhof Père Lachaise in Paris ist also gar nicht so abwegig.

Ob man nun im Besitz eines Zweirads ist oder nicht, spielt keine Rolle. Denn am U- und S-Bahnhof Ohlsdorf warten jede Menge Stadträder nur darauf, als Fortbewegungsmittel schamlos ausgenutzt zu werden. Wie praktisch also, dass der Friedhofseingang quasi gegenüber der Leihstation ist.

Wer das majestätische Eingangstor passiert, und die Cordes-Allee hinunter fährt, denkt in erster Linie, er befände sich in einem Park. Überall thronen Bäume, aus den farbenfrohen Blumen hört man die fleißigen Bienchen summen und die Sitzbänke am Weg laden zu kleinen Pausen ein.
Erst auf dem zweiten Blick fallen die vereinzelten Skulpturen und Steine auf. Der weiße Engel schaut auf eine rote Kugel. Umringt von Kuscheltieren und Fotos einer jungen blonden Frau fällt er einem plötzlich ins Auge. Carolin Wosnitza ist den meisten eher als „Sexy Cora“ ein Begriff. Bekannt wurde sie als Teilnehmerin im Hürther Containerknast. Schlagzeilen machte sie, nachdem sie 2011 nach einer Brustvergrößerung starb. Kurz nach ihrem Tod mutierte ihr Grab zu einer Pilgerstätte für Fans der 23-Jährigen, die Plüschtiere, Grußkarten und Kerzen vorbei brachten. 

Die Cordes-Allee hat aber noch mehr zu bieten und steckt voller Entdeckungen. Ein malerischer See mit einer Brücke erinnert an die Straßenzeichnungen von Dick Van Dykes Bert aus Marry Poppins. Beim Überqueren der Brücke fühlt man sich in die Zeit um 1900 zurückversetzt. Es fehlen nur noch ein weißer Sonnenschirm und der Picknickkorb. Allerdings sind es Autos und keine Pferdekutschen, die einen zurück ins Hier und Jetzt holen. 

Weiter auf der Strecke stehen plötzlich Leute an einer Bushaltestelle. Ein Bus fährt über einen Friedhof? Aber Hallo! Der Friedhof Ohlsdorf ist nicht einfach nur irgendeine Stadtteilruhestätte. Was viele nicht wissen: Wir Hamburger können mit Stolz sagen, dass der größte Parkfriedhof der Welt bei uns zu Hause ist. Deshalb kann es passieren, dass man hier einem Linienbus begegnet, der an richtig schönen Zielen hält. Ein barocker Burgturm, der so ausschaut, als ob Rapunzel jeden Moment ans Fenster treten würde, um ihr Haar herunterzulassen, entpuppt sich als Wasserturm und zieht die Blicke der Besucher auf sich. Wilhelm Cordes, Bauleiter und erster Direktor des Ohlsdorfer Friedhofs, ließ ihn 1898 bauen und nutze ihn ursprünglich – natürlich – zur Wasserversorgung. Heute ist er im Sommer der Öffentlichkeit sonntags als Aussichtsplattform zugänglich und bietet mit seinen 34 Metern Höhe einen herrlichen Ausblick über die Anlage.

Wem es oben irgendwann zu kühl wird, der schwingt sich zurück auf sein Rad und macht sich weiter auf Entdeckungstour. Verlaufen kann man sich auf dem riesigen Gelände übrigens nicht. Auch wenn man manchmal nicht mehr weiß, wo genau man sich gerade befindet. In regelmäßigen Abständen warten Informationstafeln darauf, verirrten Besuchern Auskunft zu geben.

Am Ende der Cordes-Allee biegen wir nach links auf die Mittelallee. Versteckte kleine Sandwege führen auf der rechten Seite zu einer Blumenwiese. Wer hier verweilt – ob kurz oder lang – kann den Vögeln in den Bäumen zuhören und den Alltagsstress für einen Moment beiseiteschieben. Und wer weiter fährt, entdeckt nach kurzer Zeit ein grünes Schild. Im Gegensatz zu den Straßenschildern scheint dieses auf etwas hinzudeuten. Ein Pfeil gibt an, dass jeder, der Hamburgs beliebtestes Ehepaar die Ehre erweisen möchte, hier links rein muss. Tatsächlich war die Nachfrage, wo genau Helmut Schmidt im November 2015 beigesetzt worden war, so groß, dass der Friedhof Ohlsdorf nun alle „Gäste“ der Schmidts mithilfe der Tafel zu ihrem Ziel weist. Eine Ehre, die bisher nur wenigen Prominenten zu Teil wurde. 

Eine weitere Hamburger Berühmtheit, die mit einer Infotafel bedacht wurde, ist Hans Albers. Wer denkt nicht an sein Reeperbahn-Lied, wenn man sich nachts um halb eins auf der „sündigen Meile“ ins Nachtleben stürzt? Der Volksschauspieler könnte bestimmt auch die eine oder andere Geschichte über Ohlsdorf erzählen. Schließlich wurde er 1891, nur 24 Jahre nach der Eröffnung des Friedhofs, geboren.
Da Hans Albers keine Nachkommen hatte, konnte die Grabstätte nach dem Auslaufen der Nutzungsdauer mit Hilfe von Spenden an den Hans Albers Freundeskreis e.V. erhalten werden. Wer genau hinsieht, findet neben der Ruhestätte auch einen Gedenkstein, auf dem die Namen der Spender verewig sind. 

Mit seinen fast 400 Hektar ist der Ohlsdorfer Friedhof fast doppelt so groß wie Monaco. Kaum vorstellbar, dass das Fürstentum samt Villen, Hotels und Fürstenpalast so viel Platz auf dem Gelände hätte. Klar, dass der eine oder andere Besucher bei so einem weitläufigen Gebiet Hunger oder Durst bekommt – und den so schnell wie möglich stillen möchte. Mit dem Fahrrad geht es die Straße an den grünen Bäumen entlang. Während auf der rechten Seite die Autos auf der Fuhlsbüttler Straße zwischen Büschen und Sträuchern langsam wieder zu erkennen sind, steuert man direkt auf das Fritz-Schumacher-Krematorium zu.
Der berühmte Hamburger Architekt und Stadtplaner vollendete mit dem Krematorium eines seiner letzten öffentlichen Bauten. Überall in der Hansestadt hat sich Schumacher mit seinen Werken verewigt. In Langenhorn, im Hamburger Norden, leben viele Familien in der sehr begehrten und idyllischen Fritz-Schumacher-Siedlung und auf St. Pauli bietet die vom Meister geplante Davidwache auf die schiefe Bahn geratenen Männern und Frauen nachts auch gern mal einen Unterschlupf – obwohl sie nicht immer freiwillig kommen.
Direkt am Krematorium wartet das Café Fritz schon auf hungrige Gäste und freut sich, sie mit Speis und trank in gemütlicher Atmosphäre zu bewirten. Ob nun ein guter Kaffee mit einem leckeren Stück Kuchen, Fingerfood oder doch eine warme Mahlzeit: Das Café Fritz ist auf jede Art von Appetit vorbereitet. 

Wenn der Körper anschließend satt und zufrieden ist und sich nach einem netten Schnack erholt hat, verlassen wir den Friedhof Ohlsdorf mit einem Lächeln auf den Lippen und freuen uns, die schönste Stadt der Welt wieder neu entdeckt zu haben.

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