Das muss man so erst mal hinkriegen: Als Dorfkind in der Nähe von Flensburg aufgewachsen, zum Grafik-Design Studium in die große Stadt gegangen, vom Hamburger Kiez und seinem Nachtleben fasziniert, vereinnahmt und überrollt worden. Game over – Panik- und Angst-Attacken lähmen, das Studium liegt beinahe brach. Freiwillige Notbremse mit einem Kurzaufenthalt in der stationären Psychiatrie, sich zurück kämpfen, Ängste, Erlebnisse und Beobachtungen in einem Comic verarbeiten, Halt und Kraft wiederfinden und den Mut aufbringen den Comic als Abschlussarbeit an der Uni einzureichen.
Happy End: Die Abschlussarbeit überzeugt – Bestnote mit Auszeichnung, Studium erfolgreich absolviert. Außerdem die Lebensbalance neu justiert und eine zukunftsweisende Entscheidung getroffen: Der Plan als Illustrator und Comic-Zeichner Karriere zu machen wird verworfen, der Wunsch zu malen setzt sich durch.
Vermutlich stellen Sie sich jetzt zwei Fragen. Erstens, um wen geht es hier eigentlich und zweitens, ist das nicht ziemlich intim für die Öffentlichkeit?
Die erste Frage ist schnell beantwortet. Sie haben gerade einen kurzen Abriss aus dem Leben des 38 jährigen Hamburger Malers Uli Pforr gelesen, der auf der Veddel wohnt und arbeitet. Hier ist sein Rückzugsraum, der ihm die richtige Distanz zum schillernden Großstadt-Dschungel schenkt. Für die zweite Frage sind zwei Sätze zu wenig, denn die Antwort ist gleichzeitig die Beschreibung seines Schaffens als Künstler, seines Antriebs, seiner Inspiration und seiner Persönlichkeit. Gewiss, es ist intim, aber für Uli Pforr gehört die erlebte Krise einfach zu seinem Leben wie das tägliche Zähneputzen. Mehr noch, die Krise hat ihn auf seinen Weg geführt und gelehrt das Chaos in seinem Kopf zu regulieren, für seine Kunst zu nutzen und seinen einzigartigen Stil zu schaffen.
Uli Pforr taucht gerne ins Milieu ein, sieht sich als Teil davon. Ihn inspirieren Grenzgänger und der Blick hinter die Fassaden der Menschen. Er erzählt Geschichten aus der Großstadt jenseits des Alltags, verarbeitet seine Eindrücke zu Bildern die vor detailverliebter Wahrnehmung und überbordender Fantasie strotzen. Die Arbeitsweise des hochsensiblen Malers mit extrem ausgeprägter Beobachtungsgabe ist sehr intuitiv. Erfahrungen und Begegnungen aus der realen Welt finden mit märchenhaften Wesen aus Traumwelten zusammen und ergeben ein homogenes Ganzes. Uli Pforr drückt es so aus: „Es ist immer ganz viel los in meinem Kopf.“ Seine Kunst ist entsprechend laut, grell, zuweilen schräg. Bilder voller Energie und Farben – überzeichnet, grotesk, von nahezu beängstigender Ehrlichkeit und gerne auch mit fein dosierter Ironie. Motive des Lebens, die sich dem Betrachter mit ihrer opulenten Fülle förmlich aufdrängen, ihn hinein bitten. Man taucht ein, in eine bizarre, bunte und wilde Welt. Es ist die Welt, wie er sie empfindet. Eine psychodelische Welt, voller Ängste, Chaos und Ideen.
Einige Figuren tauchen immer mal wieder auf, sind Lieblingsfiguren oder liebgewonnene Markenzeichen des Künstlers, die sein Schaffen begleiten. Seine Leinwände sind zumeist randvoll, auch im Hintergrund leben skurrile Figuren und Details. Die Bilder haben so viel zu erzählen, als Betrachter wähnt man sich beinahe in einem Film. Ruhige, zurückgenommene Werke entstehen eher selten und wenn, sind sie trotzdem laut und energiegeladen. „Knallen muss es“, sagt Uli Pforr und das tut es, seine Bilder haben etwas Explosives, sind raumgreifend und vereinnahmend.
Uli Pforr ist aus der deutschen Pop-Surrealismus Szene nicht mehr wegzudenken. Das Hamburger Abendblatt schrieb über ihn „seine Überzeichnung und Typisierung erinnert manchmal an die gesellschaftskritischen Werke von Otto Dix oder George Grosz“. Aber auch wenn diese Vergleiche schmeichelhaft sind – Uli Pforr hat etwas ganz Eigenes. Das haben längst auch internationale Auftraggeber, wie zum Beispiel TUI, erkannt, für die er eine Bildinstallation auf dem Kreuzfahrtschiff „Mein Schiff 5“ realisiert hat. Trotz seines Erfolges bleibt Uli Pforr sich treu. Unaufgeregt, bescheiden und emphatisch. Er engagiert sich gerne für Menschen die vom Leben nicht verwöhnt werden, stiftet Bilder für den guten Zweck, wie zum Beispiel für das Straßenmagazin Hinz & Kunzt, denn er weiß, der Grat auf dem das Leben wandelt ist mitunter schmal und wer ausrutscht braucht eine helfende Hand.
Seine aktuelle Ausstellung „Parallelwelten“ mit gut 100 Werken ist in der Pop up Galerie FY I AM FAMOUS in der Hafencity, Großer Grasbrook 9 zu sehen. Mit dieser Galerie hat sich sein Herzenswunsch nach einer ungewöhnlichen Einzelausstellung in prominenter Lage erfüllt. Eine Ausstellung die man nicht verpassen sollte – geballte „Uli-Power“ die es so kein zweites Mal gibt.
Die charmante Galeristin und Künstlermanagerin Simone Tenta freut sich über jeden Besucher, der Eintritt ist frei und hier muss man nicht vor Ehrfurcht erstarren. Im Gegenteil, es herrscht eine wunderbare Ungezwungenheit und die liebevolle Begeisterung mit der sie einem die Bilder und Szenen näher bringt ist einfach ansteckend. Die Parallelwelten von Uli Pforr lassen sich Do-Sa: 12:00-19:00 und So: 12:00-16:00, oder auch gern nach Absprache (Tel. 040 – 39 99 611-14) betreten.
Autor Cord Schumann