Ein Stadtteil voller Gegensätze: Sankt Georg zwischen Glanz und Elend

Wie unrecht man einem Stadtteil tun kann, zeigt sich am Beispiel von Hans Albers, bei dessen Namen jeder gleich an St. Pauli denkt und an die Reeperbahn nachts um halb eins… Tatsächlich aber kam der (Toupet-)blonde Mime 1891 in St. Georg zur Welt – eine eher unscheinbare Tafel am Haus Lange Reihe 71 erinnert noch heute daran.
Der Stadtteil zwischen dem östlichen Alsterufer, Hauptbahnhof und Berliner Tor hatte immer und hat auch heute noch um seinen Ruf zu kämpfen Deswegen hat St. Georg sein eigenes Stadtteil-Logo mit dem edlen Ritter Georg, seinem Pferd Hotte und dem frechen Drachen Dragomir, der hier in Frieden leben soll. Derzeit sehen die Zeichen eher positiv aus. Vergessen ist
weitestgehend, dass um 1200 ein Hospital für Leprakranke existierte, dass um 1550 herum Hamburgs Galgen hier stand, dass bis vor wenigen Jahren drogensüchtige Mädchen anschafften und dass rund um den Hansaplatz Strichjungen auf Freier warteten. Mit der jetzt abgeschlossenen Renovierung des Platzes ist ein weiterer Schritt eingeleitet, dem schönen Platz mit Brunnen und Hansestatue zu neuem Flair zu verhelfen. Nicht nur Kinder entdecken die Geschichte vom Drachenritter Jetzt ist zumindest die Lange Reihe eine beliebte Einkaufsstraße mit internationaler Gastronomie und gemütlichen Cafés. Der Steindamm hat weiter zu kämpfen, obwohl sich hier Multikulti-Läden aneinander reihen. Doch auch hier tut sich viel: Das neue alte Hansatheater zum Beispiel, Hamburgs legendäres Varietétheater oder weltstädtisches Kabarett im Polittbüro bringen Gäste von nah und fern nach St. Georg. Sogar das berühmte plattdeutsche Ohnsorg Theater hat sich nach St. Georg getraut und residiert direkt am Hauptbahnhof am Heidi-Kabel-Platz mit der einstigen Lieblingsschauspielerin der Deutschen als Staute vor dem Portal.
Freimütig und stolz bekennt sich St. Georg dazu, Hamburgs Hochburg für Schwule und Lesben zu sein. Sie leben hier in der liberalen, bunten, gewachsenen und (multi)kulturellen Nachbarschaft zum 112 Jahre alten Deutschen Schauspielhaus an der Kirchenallee, zum Museum für Kunst und Gewerbe von 1876 und zu renommierten Herbergen wie dem „Atlantic“ und dem „Reichshof“ – die größte Hoteldichte der Stadt findet sich hier; auch die mit nur drei Zimmern kleinste „Pension Köhler“ in der Sankt Georgstraße 6.
Von den rund elftausend Einwohnern sind in etwa 40 Prozent Ausländer; in der Böckmannstraße findet sich neben einem pittoresken türkischen Markt die „Merkez Camii“, Hamburgs Zentralmoschee, und am Steindamm der Rat der islamischen Gemeinschaften „Schura“. Geistlicher Mittelpunkt und Bischofssitz für Hamburgs 173.000 Katholiken ist der Dom St. Marien in der Danziger Straße, die Evangelisch-Lutherischen treffen sich in der Dreieinigkeitskirche am St. Georgs Kirchhof.
Beim Bummel durch den quirligen Stadtteil findet man abseits vom Trubel Ruhe und Beschaulichkeit unter anderem in der Straße Koppel – in der Hausnummer 66, einer ehemaligen Maschinenfabrik, finden sich 13 sehr beachtliche Werkstätten für Kunst und Handwerk – vom Maßschuh bis zum hölzernen, handgefertigten Füllfederhalter wird hier allerlei Staunenswertes produziert.
Das östliche Ufer der Alster, das die Grenze des Stadtteils bildet, muss sich hinter den anderen Teilen des Grüngürtels rund um den schönen See mitten in der Stadt nicht verstecken. Hier reihen sich Boostverleihe und -schulen aneinander, hier kann jeder am Alsterdampferanleger
„Atlantic“ Seele und Beine baumeln lassen. Nebenan hat einer der beiden Traditions-Segelvereine, der HSC, seinen Sitz (der NRV liegt am gleichen Uferweg beim Uhlenhorster Fährhaus). Auf dem Weg dorthin passiert der Besucher das berühmte Literaturhaus, dessen Café zum Verweilen einlädt, und in dem hervorragende Lesungen stattfinden. Geheimtipp: An der Schönen Aussicht liegt das umfunktionierte Klohäuschen „Alsterperle“, wo selbst eingefleischte Jogger eine Pause einlegen. Bei „Wetter“ ist sie der absolute Hotspot für alle Schicken und Hübschen. Und für die, die sich selbst dafür halten…
Zu einer Millionenstadt gehören auch Problemviertel – hier, rund um den Hauptbahnhof sieht man das Drogenelend ebenso wie Armut und Obdachlosigkeit. Und „um die Ecke“ elegante Hotels und immer begehrter werdende Seitenstraßen zum schicken, teuren Wohnen. Aber so ist es: In New York, London und anderen Metropolen sind die Verhältnisse nicht anders – Hamburg als zweitgrößte deutsche Stadt muss und kann wie sie damit leben…

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