Als das Hotel Reichshof Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, war der Hauptbahnhof noch nicht einmal fertiggestellt. Dennoch hatte Anton Emil Langer, damaliger Bauherr und Hoteldirektor, offenbar einen richtigen Riecher: Wenn erstmal der Bahnhof steht, gibt es auch Gäste für das Hotel. Langer stammte aus einer angesehenen Hoteliersfamilie. Die besaß zu damaliger Zeit nicht nur das Esplanade, sondern auch noch 27 andere Hotels. An Background mangelte es also nicht, zumal auch der HADAG-Generaldirektor Albert Ballin dem Hotelchef mit Rat und Tat zur Seite stand.
Die Geschichte eines Luxushotels
1910 schließlich öffnete das Hotel Reichshof – und den Gästen offenbarte sich eine Pracht, die europaweit ihresgleichen suchte. Dafür verantwortlich war der Architekt Heinrich Mandrix. Der hatte für die Inneneinrichtung in Marmor und Gold geschwelgt. Mit Elementen des Barock und des Klassizismus wurde der Art Déco-Stil ergänzt. Damals war das Hotel das Größte in ganz Deutschland und musste sich auch innerhalb Europas nicht verstecken.
Ausstattungsmerkmale wie fließendes Wasser, Strom und ein Telefon auf jedem Zimmer waren zu jener Zeit echte Innovationen. Auch die Tatsache, dass 50 Zimmer sogar ein eigenes Bad besaßen, galt damals als außergewöhnlich. Eine Autogarage konnte Fahrzeuge in mehreren Etagen parken lassen, außerdem verfügte der Reichshof über hydraulische Aufzüge. Trinkwasser bezog das Hotel aus einer eigenen Quelle, und auch den Bedarf an Obst und Gemüse deckte Langer über eigene landwirtschaftliche Betriebe an der Elbchaussee.
Kein Wunder also, dass in den Folgejahren Schauspieler:innen, Politiker und Wirtschaftsmagnaten sich hier die Klinke in die Hand gaben. Doch im Laufe der Jahre büsste das wunderschöne Hotel an Renomme ein. Der Charme vergangener Tage war unmodern geworden. 2014 schloss der Reichshof. Die Hamburger waren nicht begeistert, denn das Hotel gehört einfach zur Stadt dazu.
Der Charme luxuriöser Zeiten
Doch nach einem Jahr wurde das Haus neu eröffnet, als Mitglied der Hilton-Curio-Marke. Wer vorher ein wenig besorgt war, die schönen alten Dinge würden auf dem Sperrmüll landen, konnte aufatmen:
Bis heute ist der Charme dieses ganz besonderen Hotels erhalten geblieben. Bereits beim Betreten merkt man das. Marmor, Messing und Kristall dominieren und erinnern an den Luxus vergangener Tage. Doch nicht alles hat die Zeit überlebt. So bestehen die Kronleuchter in der Halle aus Teilen der ursprünglichen Lampen, die mit neuen Elementen verbunden wurden – und zwar pinkfarbenen Lichtschwertern. An diesem illuminierten Hingucker bleibt der Blick auf jeden Fall hängen.
Auch das Restaurant ist einen Besuch wert. Es erinnert nicht ganz von ungefähr an ein Kreuzfahrtschiff und bietet eine einzigartige Atmosphäre, die nicht nur zum Reichshof, sondern auch zur Hafenstadt Hamburg perfekt passt.
Die liebevollen und vorsichtigen Renovierungsarbeiten, bei denen alter Charme mit modernen Standards verbunden wurden, sorgten nach der Neueröffnung 2015 dafür, dass der Reichshof Hamburg zur Hotelimmobilie des Jahres gekürt wurde. Noch im selben Jahr bekam das Hotel den renommierten Designpreis der Bundesrepublik Deutschland in der Kategorie Innenarchitektur.
Eines der letzten Grand-Hotels
2021 schließlich trennte sich der Reichshof Hamburg von der Marke Curio Collection by Hilton und geht seitdem unter der Leitung von Hoteldirektorin Kathrin Wirth-Überschaer seinen eigenen, erfolgreichen Weg. Der Glanz der alten Tage, moderner Komfort und natürlich die Tatsache, dass ein so ehrwürdiges Hotel viel erlebt hat, machen den Reichshof zu einer ganz besonderen Adresse.
Ein geheimer Schatz
Eine der Storys, die untrennbar mit dem Mythos Reichshof verbunden sind, ist der geheime Schatz des Hotel.: 1989 entdeckten Bauarbeiter im Hotel einen zugemauerten Raum, der längst vergessene Raritäten barg: Silberbesteck, schwere Servierplatten und Sektkühler, außerdem feinstes Porzellan und vieles mehr. Alles stammte offenbar aus den Anfangsjahren des Hauses. Während des Zweiten Weltkrieges muss es Martha Langer, die Ehefrau von Hotelgründer Anton-Emil Langer, dort vor dem Nazi-Regime und möglichen Plünderungen in Sicherheit gebracht haben. Danach geriet das edle Inventar offenbar in Vergessenheit.
Apropos Martha Langer und die Nazizeit. Die Grande Dame der Hamburger Hotellerie kam mit vielen Höhen und Tiefen zurecht – und sogar mit den Nazis. Wie der ehemalige Empfangschef des Hotels, Ary Schwantes, in einem Buch über den Reichshof sagte, habe sie hinten im Haus jüdische Menschen versteckt und vorn mit der Gestapo Karten gespielt-