Irgendwas scheint an der Atmosphäre oder dem Klima in Lübeck kreative Energien freizusetzen. Immerhin stehen zwei große Literaten im Zentrum der Hansestadt: Günter Grass verbrachte hier seine letzten Lebensjahre, Thomas Mann wurde in Lübeck geboren.
Diese Stadt würdigt dieses kulturelle Erbe. Sowohl Grass als auch Mann haben in Lübeck ein Museum. Bei Letzterem ist es das Buddenbrookhaus, dass an das wohl berühmteste Werk des Literaten erinnert: Die Buddenbrooks. Die Geschichte einer Kaufmannsfamilie war als Buch und Film ein Welterfolg. Das lag nicht zuletzt daran, dass Thomas Mann wusste, wovon er schreibt. Schließlich war er der Sohn eines Lübecker Kaufmanns und Senators.
Die Stadttore: hereinspaziert
Wer bei seinem Rundgang durch die Altstadt echtes Mittelalterfeeling erleben möchte, sollte sie unbedingt durch eines der drei Stadttore betreten. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich das Treiben in den Straßen vorzustellen, das Besucher von außerhalb erwartete.
Das berühmteste Stadttor ist natürlich das Holstentor. Es gehört zur Befestigungsanlage an der Trave-Seite der Stadt und ist mit seinen rot und schwarz lasierten Ziegelsteinen das wahrscheinlich bedeutendste Spätmittelaltergebäude Deutschlands. Damit nicht genug, zierte das Holstentor auch jahrzehntelang den 50 DM-Schein. Beinahe ebenso imposant präsentieren sich das Kaisertor auf den Wallanlagen des Kanals und das Mühlentor an der (ebenfalls sehenswerten) Mühlenbrücke.
Reichtum in Stein gemeißelt
Handel und Lübeck: Das waren zwei Seiten einer Medaille. Schon bald nach ihrer Gründung 1143 war die Stadt eine Drehscheibe des Handels zwischen Westen, Norden und Osten. Viele ihrer bedeutenden Bauten demonstrieren Selbstbewusstsein und den Reichtum der Kaufleute: Die gotische Marienkirche mit ihren mächtigen Türmen und dem Wald aus Strebepfeilern ebenso wie das wuchtige und ein wenig schiefe Holstentor. Vor allem aber ist das Rathaus, ein Ensemble höchst unterschiedlicher Gebäude aus mehreren Jahrhunderten mit grün lasierten Ziegeln und vielen Windlöchern, Wappen und Türmchen Wahrzeichen für den Wohlstand, der auf dem Handel basierte.
Auch viele der gemauerten Backsteinbauten in Lübeck sind eine Folge des Reichtums durch Handel. Den er sorgte dafür, dass die Menschen von Holzhäusern auf Stein wechseln konnten.
Im Europäischen Hansemuseum Lübeck wird die Geschichte der Pfeffersäcke, wie die Händler auch hier genant wurden, wieder lebendig. Genauso wie die ihrer schärfsten Widersacher: der Piraten. Zurzeit ist eine Sonderausstellung rund um Klaus Störtebeker im Museum zu sehen.
Kirchen und Konkurrenz
Wem der Museums-Besuch nicht reicht, wandert einfach ein wenig durch die Lübecker Altstadt. Dieser Ausflug beginnt allerdings ganz oben: auf dem Turm der St. Petri-Kirche nämlich. Aus rund 50 Meter Höhe hat man einen gigantischen Blick auf ein Meer von Ziegeln und Backstein. Besonders lohnenswert ist diese Aussicht an klaren Tagen. Dann kann man bis an die Ostsee schauen.
Von der Kirche aus sind es nur ein paar Schritte zum Lübecker Rathaus, das als eines der schönsten Deutschlands gilt. Vor allem aber ist es ein faszinierender Architektur-Mischmasch. Vom Mittelalter an wurde ständig an- und umgebaut, erweitert, verschönert und verziert. Kein Wunder: Viele Kaufleute waren auch Politiker – und setzten alles daran, den Reichtum der Stadt – im wahren Wortsinn – in Stein zu meißeln.
Das galt allerdings nicht nur für das Rathaus. Auch die Marienkirche zeugt von diesem Wohlstand, den übrigens auch Normalbürger in Lübeck genießen konnte – immerhin sorgte die Hanse dafür, dass es auch Handwerkern oder Schreibern gut ging. Die Marienkirche hatte aber noch einen anderen Zweck.. Sie wurde in Konkurrenz zum Lübecker Dom gebaut. Hintergrund: 1226 war Lübeck reichsfrei geworden, unterstand also nur noch dem Kaiser, nicht aber der Kirche. Den Kaufleuten war der trutzige Dom deshalb ein Dorn im Auge und sie setzten alles dran, um das Bauwerk des Bischoffs zu übertreffen. Das gelang ihnen auch: die Türme der Marienkirche sind um satte zehn Meter höher als die des Lübecker Doms.
In engen Gassen
Lübeck wird bisweilen auch Hamburgs kleine Schwester genannt. Dafür gibt es auch außerhalb der Hanse gute Gründe. Die erfährt man bei einem Rundgang durch die Altstadt, wenn man auf durch schmale Toreinfahrten in die Innenhöfe geht.Dort nämlich drängten sich kleinste Häuser und Bretterbuden dicht an dicht – analog zum Hamburger Gängeviertel. In beiden Fällen begegnete man so der Wohnraumknappheit zur Blütezeit der Hansen. Typische Beispiele für diese Gängeviertel finden sich in Lübeck rund um die Engelsgrube. Dieser Name hat allerdings mit den himmlischen Heerscharen nichts zu tun. Er bezieht sich auf die englischen Schiffen, die am unteren Ende der Straße festmachten. Die wohl ärmste Region der Lübecker Altstadt war früher die Hundestraße. Hier fristeten mittellose Gerber ein trostloses Dasein.
Ein wenig „außen hui, innen pfui“ war es schon, wie man in Lübeck zur Blütezeit des Handels lebte. Das sieht man besonders gut an dem Kontrast zwischen den dunklen und engen Gängevierteln, den Handwerkervierteln mit ihren schmalen, hohen Häusern und den geräumigen Wohnsitzen der Kaufleute mit ihren prachtvollen Fassaden.
Die Mengstraße gehört zum Bereich des alten Lübecker Kaufmannsviertels zwischen dem Hafen an der Trave und dem Rathaus. Hier findet man ein gut erhaltenes Ensemble alter Giebelhäuser. Vom berühmtesten Gebäude, dem Buddenbrookhaus (Hausnummer 4), ist allerdings nur noch die Fassade im Original erhalten. Das Haus gehörte natürlich nie der Familie Buddenbrook, die gab es ja nur im Buch. Es war vielmehr das Wohnhaus der Großeltern von Thomas Mann. Weitere prächtige Patrizierhäuser findet man zudem in der Königsstraße. Hier liegt auch die sogenannte Kulturmeile der Lübecker Altstadt.