Reeperbahn: heiße Nummer? Nicht nur!

Die Clubszene und die Musikkultur in Hamburg lebt

Klar, jeder kennt die Reeperbahn. Sei es, weil er in Hamburg lebt oder weil er die bunt-glitzernde Amüsiermeile in diversen TV-Formaten gesehen hat. Allerdings gibt es so einige Dinge, die vielleicht doch nicht jeder über die Reeperbahn weiß.

Dazu gehört mit Sicherheit auch die Tatsache, dass auf der Reeperbahn viel Geld ausgegeben wird. Um genau zu sein, ist der Geldautomat der Hamburger Sparkasse Spitzenreiter unter allen deutschen Automaten, was das Abheben von Geld betrifft. Rund 30 Millionen Euro kommen aus dem Schlitz des legendären Automaten mit der Nummer 206-3 an der Reeperbahn 70.

Doch so viel Geld kursierte auf der Reeperbahn nicht immer, denn ursprünglich lag diese in einem der ärmsten Viertel der reichen Stadt Hamburg. Umso erstaunlicher ist es, dass sich ausgerechnet hier bereits im 18. Jahrhundert die ersten Schausteller ansiedelten – in sogenannten Spielbuden, was dem Spielbudenplatz auch gleich seinen Namen gab.

Zu dieser Zeit gab es auch die große Freiheit bereits und die hat mit dem gleichnamigen Musik-Club nicht das Mindeste zu tun: Vielmehr war das die Freiheit für die Ausübung des Gewerbes und der Religion. Ob damals schon jemand ans horizontale Gewerbe gedacht hat, für das die Reeperbahn bis heute auch berühmt ist?

Auf jeden Fall aber zog diese Freiheit zahlreiche Gewerbe an, darunter auch die Reepschläger, also Seilmacher, denen die Reeperbahn ihren Namen verdankt

Die Reeperbahn modern

Heute gibt es auf der Reeperbahn keine Seilmacher mehr, aber Seile schon. Denn hier findet man eine Dichte an SM-Shops, die man bundesweit vergeblich sucht. Klar, dass es dabei auch ein gut sortiertes Sortiment an Stricken aller Art gibt. Ganz typisch für die Reeperbahn: Ob Boutique Bizarre oder Darksixe Boutique – auf der Reeperbahn sind sie keine Fremdkörper, nur eben anders normal.

Aber auch, wenn das zunächst mal so aussieht, dreht sich auf der Reeperbahn längst nicht alles um Sex. Denn hier ist mit der Zeit auch eine rege Club- und Kneipenszene entstanden. Darunter sind coole und alteingesessene Läden, aber auch ein paar echte Legenden.

Dazu gehört das Lehmitz. Die ehemalige Stehbierhalle ist nicht nur berühmt für einen Bildband, der hier erschien, sondern auch für die Tatsache, dass es hier Leute gab, die in 40 Minuten 108 Gläser Korn zu sich nehmen konnten, was der Fotograf des genannten Bildbands bei seiner Recherche erfuhr.

Doch damit nicht genug: Eines der Bilder aus dem Lehmitz wurde sogar zum Plattencover. Tom Waits nutzte es für sein Album „Rain Dogs“.

Das Gebäude, in dem das Lehmitz früher war, gibt es zwar nicht mehr – die Kultkneipe aber immer noch. Und gestern wie heute ist es hier durchaus an der Tagesordnung, das Bands auf dem Tresen spielten.

Die Reeperbahn und die Kunst

Apropos Musiker: Dass die Weltkarriere der Beatles hier begann, ist ja schon Allgemeinwissen. Aber die Fab Four waren natürlich nicht die einzigen, die sich das Flair der Reeperbahn nicht entgehen lassen wollen. Auch Falco und Udo Lindenberg oder Jimi Hendrix sind schon die bunt erleuchtete Meile entlang geschlendert. Die hat offenbar seit Hans Albers’ Klassiker „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ nichts von ihrer Faszination verloren. Übrigens gibt es von diesem Filmsong bis heute eine große Anzahl von Remakes und auch Parodien wie „Auf der Nepperbahn nachts um halb eins“ von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung.

Doch nicht nur Musiker können sich dem Mythos Reeperbahn nicht entziehen, es gibt auch zahllose Filme um, über und mit der Reeperbahn. Dazu gehört auch die Amazon-Serie „Luden, Könige der Reeperbahn“. In diesem Mehrteiler tauchen übrigens immer wieder Begriffe auf, die jenseits der Reeperbahn für das berühmte Fragezeichen im Gesicht sorgen.

Das wiederum hat mit einer anderen Besonderheit zu tun: dem sogenannten Nachtjargon, also der Sprache der Luden, Animierdamen und Nutten, die nur hier um die Reeperbahn herum gesprochen wurde. Den Nachtjargon gab es übrigens aus guten Gründen: Außenstehende sollten nämlich besser nicht so genau wissen, worüber das Milieu gerade sprach. Auch dann nicht, wenn es um jede Menge Knödel ging, wie Geldbündel im Nachtjargon heißen.

Die bildende Kunst kommt auf der Reeperbahn auch nicht zu kurz. Dafür sorgt nämlich seit 2017 der sogenannte Art Walk, für den Künstler verschiedene Persönlichkeiten der Reeperbahn festhalten.

Ein ganz besonderes Kapitel ist auf der Reeperbahn auch die Architektur – und auch das hat eine lange Geschichte: Dort wo heute die ebenso kühnen wie unverwechselbaren Tanzenden Türme in den Himmel über der Reeperbahn ragen, gab es um 1805 nämlich den Trichter, der seinen Spitznamen seinem speziellen Dach verdankte, das nach oben hin spitz zulief. Zunächst war der Trichter, an denen heute noch der Straßenname „Beim Trichter“ erinnert, nur eine Erfrischungsbude, später wurde daraus ein Vatieté, in dem auch Stars wie die amerikanische Tänzerin Josephine Baker oder Anita Berber auftraten, die mit ihren „Tänzen des Lasters“ die wohl verruchteste Frau der Weimarer Rebublik war.

Die Reeperbahn und ihre Menschen

Jeder, der nicht nur über die Reeperbahn läuft, um möglichst viele Selfies zu machen, stellt früher oder später fest: Diese Straße lebt nicht nur durch ihre Geschichte oder ihren Glamour, sondern vor allem auch durch ihre Typen. Denn die könnten unterschiedlicher nicht sein. Da ist beispielsweise Susanne Faerber, die mit dem Panoptikum das älteste Wachsfigurenkabinett Deutschlands leitet. Da ist aber auch Opa, von dem so gut wie niemand seinen Namen kennt. Nur dass er lange Zeit zu den besten Tätowierern der Stadt gehörte, weiß man.

Neben einem Corny Littmann, der die leichte Familien-Unterhaltung an die Reeperbahn brachte, gibt es hier auch eine Eve Champagne, die frivole Unterhaltung salonfähig machte, es gibt die vielen Kioskbesitzer, die allesamt durch ihre Familien unterstützt werden, aber auch Sven Rosé, den Künstler, der mit dem Herzen malt und deshalb seine Kunst auch Love Art nennt. Sie alle machen die Reeperbahn lebens- und liebenswert.

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