Radtour nach Wilhelmsburg: reif für die Insel

Diese Idylle gehört tatsächlich zu Hamburg: Wilhelsmburg mit der Mühle Johanna

Hamburg hat viele Gesichter. Und eins davon kennen nur wenige: die Insel Wilhelmsburg auf der anderen Elbseite. Hier präsentiert sich die Hansestadt ganz anders als beispielsweise in Eppendorf oder Blankenese. Nämlich in einem spannenden Mix aus maritimer Atmosphäre, viel Natur und einem Hauch Exotik.

Startpunkt Alter Elbtunnel

Spannender Auftakt der Tour: die Fahrt durch den Alten Elbtunne

Unsere Tour beginnt da, wo das Herz von Hamburg schlägt: am Hafen. Von den Landungsbrücken aus führt die erste Etappe durch den alten Elbtunnel. Die imposante, mit Grünspan überzogene Kuppel weist uns den Weg zu Europas ältester Flussuntertunnelung.

Die Reliefs an den Tunnelwänden sind sehenswert

Genau 426,5 Meter lang sind die beiden Röhren des Alten Elbtunnels. Auf dem Weg von den Landungsbrücken nach Steinwerder sollte man ruhig gemütlich fahren. Dann hat man mehr Zeit, um die kunstvoll gestalteten Kacheln an den Wänden des Tunnels zu bewundern. Sie zeigen allerlei Wassergetier wie Fische und Krebse. Einen Blick sollte man aber auch den prächtigen Reliefs gönnen. Die sogenannten Majolikas zeigen Szenen Hamburgs genauso wie technische Innovationen oder Szenen aus der Arbeiterwelt. Damit Hamburg und seine Besucher auch noch lange etwas von diesem Stück Historie haben, wird der Alte Elbtunnel zurzeit aufwendig restauriert. Die Oströhre erstrahlt bereits in neuem Glanz, die Weströhre dagegen soll 2021 fertiggestellt sein. Übrigens: Rund 1 Million Fußgänger schaut sich sich das Bauwerk jährlich an.

Beste Aussichten in Steinwerder

Blick von Steinwerder aus über die Elbe. auf die Landungsbrücken

Nachdem wir in Steinwerder wieder das Licht der Welt erblicken, lohnt sich ein kurzer Schwenk nach links um den Tunnelausgang. Der Blick von hier aus über die Elbe ist sagenhaft. Wie Perlen an einer Schnur reihen sich am Elbufer die Elbphilharmonie, die Rickmer Rickmers, die Cap San Diego, die Landungsbrücken und der Fischmarkt, Einen schöneren Blick auf die Stadt gibt es kaum. Von dort aus führt die Tour in Richtung Süden durch das Hafengebiet mit seinen endlosen Containerreihen, Kränen und Hallen.

Steinwerder ist übrigens ein Stadtviertel, in dem überwiegend gearbeitet wird. Denn hier dreht sich beinahe alles um den Hafen. Knapp acht Quadratkilometer bestehen größtenteils aus Containerterminals, Gewerbeflächen und Werftanlagen. Doch keine Regel ohne Ausnahme: In Steinwerder befindet sich nämlich auch ein echter kultureller Hot-Spot, genauer gesagt, zwei: das Stage Theater am Hafen und das jüngere Stage Theater an der Elbe.

Mehr Weitsicht: der Energiebunker

Blick vom Energiebunker

Vom Reiherstieg-Hauptdeich geht es dann über den Vogelhüttendeich mitten rein nach Wilhelmsburg – und ein bißchen auch in eine andere Welt. An der Veringstraße führt uns der Weg weiter nach Süden, ins Reiherstiegviertel. Hier reihen sich syrische Imbisse an türkische Gemüsehändler, portugiesische Restaurants und deutsche Bäckereien. Multikulti von seiner schönen Seite!

Rund zwei Minuten vom Reiherstiegviertel entfernt erhebt sich stolz der Energiebunker von Wilhelmsburg. Ein massives Bauwerk mit massig Geschichte: Ursprünglich diente er als Schutzbunker für rund 15.000 Menschen vor den Fliegerangriffen der Briten im Zweiten Weltkrieg. Nach dessen Ende sprengten die Engländer das Innere des Bunkers und er blieb lange Zeit ungenutzt. Das änderte sich im Zeitraum von 2007 bis 2013. Da sorgte die Internationale Bauausstellung (IBA) dafür, dass der alte Bunker einen neuen Zweck erhielt.

In dem Bauwerk wurde ein riesiger Pufferspeicher mit einem Fassungsvermögen von 2.000 Kubikmetern Wasser eingebaut. Das sind zwei Millionen Liter. Die dort gespeicherte Wärme stammt zu einem bedeutenden Teil aus der Abwärme eines benachbarten Industriebetriebs, der sie zuvor ungenutzt abführte. Weitere Wärme erzeugen eine Holzfeuerungsanlage und ein Biogas-Blockheizkraftwerk sowie eine solarthermische Anlage auf dem Dach. Eine Photovoltaikanlage produziert zusätzlich fast 3.000 Megawattstunden Strom.

Ganz oben findet man das Café Vju, das nicht nur leckeren Kuchen anbietet, sondern auch einen traumhaften Blick. Und man bekommt hier Tickets für die spannenden Führungen durch den Energiebunker.

Häuser gucken

Natur hautnah – im Wälderhaus

Das scheint in einer Großstadt eine ziemlich alberne Aufforderung zu sein. Ist es aber nicht – zumindest in Wilhelmsburg. Denn direkt am Inselpark kann man einige tolle Innovationen entdecken. Dazu gehört natürlich das Wälderhaus. Es beherbergt ein Hotel, ein Restaurant und vor allem die beeindruckende Erlebnisausstellung „Science Center Wald“.

Auf 650 Quadratmetern und an rund 80 Erkundungspunkten werden die unterschiedlichen Aspekte des Waldes, seine ökologische Funktion, seine Biodiversität und seine kulturelle Bedeutung dokumentiert und erläutert. Zahlreiche Ausstellungsstücke, darunter 2.000 Fundstücke des Waldes in einer „Wunderkammer“, 200 Hölzer in der Holzbibliothek, 32 Bäume aus dem Hamburger Forstrevier Hausbruch und 40 präparierte Tiere, sind auf interaktiven Postamenten und Dioramen zu sehen.

Relaxen im Inselpark

Die Nordwandhalle im Inselpark – ein Top-Ziel für Aktivfreunde

Nur einen Steinwurf entfernt vom Wälderhaus liegt der Inselpark. Er ist ein Erbstück der Internationalen Gartenschau – und das sieht man ihm auch an. Überall haben kreative Gestalter ihre Spuren hinterlassen. Extra-Tipp: Unbedingt den Rosen-Boulevard entlang schlendern! Aber auch der Rhododendron-Garten ist einen Abstecher wert.Wahrzeichen des Parks ist übrigens der Sansibar-Felsen mit seiner Schwarzkiefer in Bonsai-Form. Wem mehr der Sinn nach Action steht, macht einen Abstecher zum Hochseilgarten, zum Skatepark oder zur Nordwandhalle zum Klettern. 2.500 Quadratmeter Kletterfläche steht den Sportbegeisterten dort zur Verfügung. Auch ein Boulderbereich gehört zur Anlage, in dem ohne Seile geklettert wird. Darüber hinaus bietet die Nordwandhalle auch einen Kids-Bereich.

Land’s End erleben

Jetzt folgt eine längere Etappe über den Sillhorner und den Moorwerder Hauptddeich in Richtung Südosten. Dort wartet ein weiteres Highlight: die Bunthäuser Spitze. Hier teilt sich die Elbe in Norder- und Süderelbe und hier steht auch der Leuchtturm Bunthaus, der aus Holz erbaut wurde. Er wurde 1914 errichtet und markierte mit einem Rundumfeuer – im maritimen Sprachgebrauch einer Gürtellinse – die Fahrwassertrennung. Bunthaus ist der kleinste Leuchtturm Deutschlands – mit gerade mal acht Metern. Bis 1977 war er im Einsatz, später wurde er zum 800. Hafengeburtstag Hamburgs aufwendig restauriert. Der Blick auf das Elbdelta lohnt sich zu jeder Jahreszeit.

Abstecher zur Windmühle

Historische Idylle mit der Windmühle und einem Fachwerkhaus

Der Rückweg beginnt am Leuchtturm und führt in nordwestlicher Richtung bis zur Windmühle Johanna. Die sogenannte Holländermühle gibt es bereits seit 1875 und bis 1960 wurde hier tatsächlich noch Back- und Futterschrot gemahlen. Der Platz, auf dem die Johanna steht, war offensichtlich ideal für eine Windmühle, denn sie wurde genau dort errichtet, wo vorher bereits vier andere Mühlen gestanden hatten. Ihren Namen hat die Mühle von der Ehefrau des Müllers Erwin Sievers, der sie 1935 übernommen hatte. Direkt gegenüber der Johanna befindet sich ein Fachwerkhaus, was ebenfalls den Besitzern der Mühle gehörte. Heute beherbergt die Johanna ein Museum und ein kleines Café. Gut zu wissen: Hier kann man auch heiraten.

Natur pur

Von der Mühle aus geht es über den Moorwerder Hauptdeich auf einer angenehm flachen Strecke ins Naturschutzgebiet Heuckenlock. Den kurios anmutenden Namen hat diese Idylle aus dem Plattdeutschen: Heucke war dabei der Name einer Familie, die früher auf der ehemaligen Elbinsel Moorwerder lebte. Lock dagegen ist die historische Bezeichnung für eine mit Wasser gefüllte Senke. Die Vegetation richtet sich hier nach den Gezeiten (Tiden) am Flussarm. In diesem Biotop sind rund 700 Tierarten und 500 Pflanzenarten beheimatet. Der ideale Ort, um das Rad für ein Weilchen stehenzulassen und zu Fuß an die Elbe zu marschieren. So kann man die Fluss-Vegetation und die Wasservögel besonders gut beobachten.

So ländlich kann. Hamburg

Träume von einer anderen Welt

Ein faszinierendes Stück Hamburger Geschichte: das Auswanderermuseum BallinStadt

Die vorletzte Station unserer Tour führt uns vom Naturschutzgebiet über den Niedergeorgswerder Deich zum Auswanderermuseum BallinStadt. Wer wissen möchte, welche Träume die Menschen hatten, die im 18. und 19. Jahrhundert von hier aus in die Neue Welt emigriert sind, sollte ein wenig Zeit mit einplanen. Erbaut wurde das heutige Museum von Albert Ballin, der damit den Menschen, die in die USA auswandern wollten, eine Anlaufstelle bot. Seine Geschichte ist im ersten von insgesamt drei Häusern der BallinStadt zu erleben. Das zweite Haus zeigt Etappen der Auswanderung über die Jahrhunderte hinweg. In 14 Themenräumen erfahrt man Wissenswertes über Migrationsgeschichte und kann in verschiedenen Auswanderer-Biographien schmökern. Das dritte Haus schließlich ist reserviert für Sonderausstellungen und den Raum „Lebenslinien“, der einzelne Schicksale in den Fokus rückt.

Imposantes Hamburg: die HafenCity

  • Der Sandtorhafen wird von den Freunden der Stiftung Maritim betrieben. Wunderbarer Blick auf die Elbphilharmonie
  • Sclepper „Fairplay VII” „No 5 Elbe” „Schaarhörn” im Sandtorhafen

Wir nähern uns dem Ende unserer Tour, indem wir durch das Wohngebiet auf der Veddel über die imposante Elbbrücke über die Norderelbe fahren. Von hier aus hat man einen tollen Blick auf die moderne Hafencity. Das Spannende an dieser Gegend: Wohl nirgendwo sonst in Hamburg mischen sich Tradition und Moderne derart eindrücklich. Nachdem Kaiser Barbarossa 1189 Hamburg das Privileg der Zollfreiheit gewährt hatte, wurde nämlich ganz in der Nähe zur heutigen Hafencity ein erster Elbhafen gebaut. Ein paar Jahrhunderte später war es dann eine Hamburger Flotte, die den legendären Piraten Klaus Störtebeker dingfest machte. Daran erinnert auch heute noch eine Skulptur in der Hafencity.
Wer mag, kann vom Bahnhof Elbbrücken mit der U4 zurück nach Hamburg fahren. Alle anderen nutzen den Radweg, der unterhalb der U-Bahn verläuft und uns zur Hafencity-Universität führt.

Die Rundtour auf einen Blick

Reine Fahrtzeit: rund 3 Stunden ohne Aufenthalte
Schwierigkeitsgrad: mittel

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