Die Geile Meile – Die Kultur ist noch zu retten auf St. Pauli

Streifen wir durch die Gassen St. Paulis, begegnen uns immer mehr Junggesellenabschiede (leicht zu erkennen an den merkwürdigen Verkleidungen, sinnentleerte Parolen und am alkoholisierten Zustand der Beteiligten) und gar – als Neuerung und Ergänzung der primitiveren Amüsierkultur – sogenannte „Bierbikes“. Schlimmster Gag bei diesen Vehikeln, sie haben eine Andrea Berg abspielfähige Musikanlage an Bord. Nachteil bei beiden Erscheinungen: Die Teilnehmer finden sich urkomisch und möchten das allen Passanten dringend mitteilen.
Die inflationäre Entwicklung dieser Entertainment-Errungenschaften hat uns manchmal schon ganz schön trüb gestimmt. Begleitet von Luxussanierung, Investorenwahnsinn und Zuzug weiterer Systemgastronomien schwanden die Hoffnungen, dass die paar noch existierenden Kulturbetriebe mit weiterer Unterstützung rechnen können.
Doch erste Hoffnungen zeichneten sich am Horizont ab. In das UG der „Tanzenden Türme“ zieht der weltberühmte MOJO Club und kehrt damit an seinen Ursprungsstandort zurück. Am Spielbudenplatz zwischen Schmidt-Theater und Docks entsteht von Kulturmachern selbst entwickelt das „Klubhaus St. Pauli“ – und jetzt kommt die schier unglaubliche Nachricht: Ein Hamburger Mäzen, der nach wie vor ungenannt bleiben will, spendiert den Machern vom „Kultum“ den ehemaligen Möbel-Brandes-Komplex am Nobistor – quasi der westliche Gegenpol zu den „Tanzenden Türmen“. Damit wird der „Geilen Meile“ ein bundesweit einzigartiges Kulturzentrum geschenkt; denn es wird noch nicht einmal eine Miete fällig. Dieses Wunder haben wir auch der Politik zu verdanken; denn die hat dem Projektentwickler des Standortes unmissverständlich mitgeteilt, dass ein Kulturprojekt deutlich mehr Freunde und Unterstützer finden wird als das gefühlt tausendste Hotel. So freuen wir Kiezianer uns jetzt schon auf einen Ort, an dem Experimente und unkommerzielle Kulturpgramme Platz finden werden. Und auch einen Musikclub und eine Start-Up-Etage mit Werkstätten für Mode und Design wird entstehen
Die Hoffnung wächst auf der Reeperbahn und in St. Pauli rundum, dass die weltweit einzigartige Mischung aus Kultur, Entertainment, sozialem Engagement, Nightlife und mehr oder weniger offen gebotener Sünde doch noch eine Zukunft hat. (Autor: Julia Staron)

Julia Staron
Die Redakteurin lebt und arbeitet auf dem Kiez

 

 

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