Kühl und feucht – so mag es Käse gern. Foto: Nadine Sorgenfrei
Nacheinander werden sie mir vorgestellt. Der erste ist noch recht jung, ein anderer schon ein wenig reifer, der nächste hat etwas mehr Pfeffer. Dann kommt einer, der äußerlich schwarz und düster wirkt, innen aber ganz zart zu sein scheint. Und der nächste duftet einfach unglaublich gut … Ich befinde mich übrigens nicht beim Speed-Dating, sondern auf der Käsestraße. Einmal um Schleswig-Holstein herum, nie allzu weit von der Küste entfernt, liegen Käsereien, Meiereien und Käsehändler, die alle hinter einer Idee stehen: Vielfalt verbinden, Käse vernetzen. Mit Handwerkskunst, Verbundenheit zur Region und Liebe zur Tradition. Beim Nachreifen werden die Laibe mit Salzwasser eingerieben. Foto: Nadine Sorgenfrei
Bis ins 19. Jahrhundert wurden die meisten Spezialitäten regional erzeugt und verkauft – logisch, denn damals gab es noch nicht die Transport- und Lagerfähigkeiten wie heute. Später entstanden in Schleswig-Holstein Genossenschaftsmeiereien, die sich auf wenige Standart-Käsesorten aus Kuhmilch und deren weiträumigen Vertrieb spezialisierten. Vor rund zwei Jahrzehnten begann eine Rückbesinnung auf die Käsekultur des Landes. Bäuerliche Hofkäsereien entwickelten mit viel Liebe und Kreativität wieder eigene Käsespezialitäten. Aus Kuh-, Schafs- und Ziegenmilch wird heute wieder eine Vielfalt von Weich- und Frischkäse oder Schnitt- und Hartkäse hergestellt. Trauben und Thymian-Ziegenkäse – ein wahres Traumpaar. Foto: Nadine Sorgenfrei
Dass dahinter nicht nur Käse, sondern oft eine ganze Philosophie steckt, lässt sich auf vielen der 24 beteiligten Höfe entdecken. Einige sind auf Besuch eingestellt, zeigen stolz ihre Milchziegen, Kühe oder Schafe und verkaufen neben Käse allerlei andere selbstgemachte Leckereien in ihren Hofläden. Ein ganz besonderer Hof ist die Domäne Fredeburg. Die Hofgemeinschaft besteht aus vier Familien und betreibt bereits seit 1991 bio-dynamische Landwirtschaft nach Demeter-Grundsätzen. Alle Mitglieder, Auszubildenden und Mitarbeiter starten jeden Morgen nach dem gemeinsamen Frühstück mit einem Lied in den Arbeitstag. Das Wohlbefinden ihrer Kühe, Schweine und Hühner gehört zu den absoluten Prioritäten der Domäne Fredeburg. Die Tiere leben überwiegend im Freien und bekommen hofeigenes Bio-Futter. Die Käserei unter der Leitung von Lothat de Vries verwendet für ihre Kreationen nur Milch ihrer eigenen Kühe. Eine Spezialität des Hofes ist der Rohmilchkäse. Die Milch wird zu Beginn der Käseherstellung nicht pasteurisiert und verleiht dem Käse dadurch ein besonders intensives Aroma. Die Liebe und Sorgfalt in der Herstellung scheint wirklich zu schmecken, der Pirschbach-Brie aus Fredeburg wurde in diesem Jahr bereits mit dem Norddeutschen Käsepreis ausgezeichnet. Rund 80 Sorten Käse gibt es im Meierhof Möllgaard. Foto: Nadine Sorgenfrei
Meine potenziellen neuen Lieblinge heißen „De oole Pellwormer“, „Dannauer Frohsinn“ oder „Kam ´n Bär“. Echt lecker sind auch Raritäten wie der „Fünf-Sprachen-Käse“, „Biiksäis Rauchkäse“ oder „Geburtstags-Käse“, der – irgendwie logisch – ein Jahr alt ist. Die Käse sind mild, reif oder würzig. Aus Kuh-, Ziegen- oder Schafsmilch, mit Bärlauch, Möhren, Salbei, Thymian, Ingwer oder Bockshornklee verfeinert. „Die Käser sind wirklich sehr kreativ“, berichtet Kirsten Möllgaard vom Meierhof in Hohenlockstedt. Hier ist die zentrale Verkaufsstelle der Käsestraße. Rund 80 Sorten der beteiligten Höfe bekommt man hier, außerdem kommt viel Käse zum Nachreifen auf den Meierhof. Kirsten Möllgaard und ihr Vater Detlev schufen optimale Bedingungen: Perfekt auf 11-13°C temperierte Lagerräume und ein Kellergewölbe mit 63-70% Luftfeuchtigkeit beherbergen dicke, gelbe Käselaibe. Während der Nachreife werden sie alle 14 Tage gewendet und mit Salzwasser eingerieben, um unerwünschte Schimmelbildung zu vermeiden. Wer sich für Käseherstellung interessiert, kann auf dem Meierhof Möllgaard in Tages-Seminaren lernen, wie man Käse und Butter herstellt, an Käse-Proben mit Wein teilnehmen oder einfach auf einen genüsslichen Einkauf vorbei kommen.