Der Welterbetag der UNESCO am 2. Juni ist ein guter Anlass, um einmal mehr die Speicherstadt und das Kontorhausviertel ins rechte Licht zu rücken. Anlässlich des Deutschen Welterbetags gibt es dort Führungen, Tanz- und Musikveranstaltungen sowie Ausstellungen. Einfach vorbeikommen, ab 11 Uhr geht es los.
Die Speicherstadt
Wenn die Sonne untergeht, ist der Blick besonders schön: Der rote Backstein der Speicherstadt leuchtet weithin, im Wasser der Fleete spiegeln sich die imposanten Silhouetten der Gründerzeit und über allem liegt ein Hauch gelebter Historie. Der größte, zusammenhängende Lagerhauskomplex der Welt entstand Ende des 19. Jahrhunderts und bezaubert nicht nur mit seinen Backsteinfassaden, sondern auch mit kunstvollen Giebeln, Erkern und Türmchen. Die Wirkung ist gleichzeitig verspielt und prachtvoll.
Bis Ende des 19. Jahrhunderts war das Gebiet zwischen Sandtorhafen und Zollkanal reines Wohngebiet. Hier lebten vor allem Handwerker und natürlich Hafenarbeiter. 1885 mussten sie alle ihre Wohnungen verlassen und wurden zwangsweise umgesiedelt. Auf dem Gelände entstand ein Lagerhauskomplex, der heute die Speicherstadt bildet. Für diese Maßnahme gab es auch einen Grund: Die Bürgerschaft der Stadt hatte sich dem Zollgebiet des damaligen Deutschen Reichs angeschlossen und musste die Zollfreiheit aufgeben, die bis dahin für ganz Hamburg gegolten hatte. Ganz Hamburg? Nein, ein kleiner Ort blieb zollfrei: der Freihafen nämlich. Und dort wurden die Lagerhäuser errichtet. Wer in der Speicherstadt unterwegs ist, kann die Zeiten von damals sogar riechen: Die Backsteinwände haben die Aromen von Kakao, Kaffee und edlen Gewürzen gespeichert. Eine olfaktorische Reise in die Vergangenheit.
Das Kontorhausviertel
Geografisch gesehen befindet sich das Kontorhausviertel im südöstlichen Bereich der Altstadt, zwischen Steinstraße, Meßberg, Klosterwall und Brandstwiete. Ende des 19. Jahrhunderts gehörte dieser Bereich zu den sogenannten Gängevierteln. Wer dabei aber an pittoreske kleine Gassen mit malerischen Häusern denkt, wie man sie heute in dem noch bestehenden Gängeviertel rund um den Bäckerbreitengang und den Valentinskamp sehen kann, irrt gewaltig. Die Gängeviertel früherer Tage zählten schlicht zu den Slums der Stadt.
Hier lebten die Menschen unter schlimmsten Bedingungen – bis 1892 eine verheerende Choleraepidemie die Stadt heimsuchte und vor allem in den Gängevierteln rund um die Mönckebergstraße und die Steinstraße wütete. Konsequenz: Sie wurden abgerissen. Südlich der Steinstraße entstanden auf dem frei gewordenen Areal die ersten Kontorhäuser der Stadt und bereits damals bewiesen die Planer internationalen Weitblick: Die Idee der Kontorhäuser stammt nämlich ursprünglich aus den USA.
In Hamburg markierte ihre Errichtung jedoch nicht nur einen vollkommen neuen Baustil, sondern auch eine neue Ära: Erstmals wurden nämlich die Bereiche Wohnen und Arbeiten konsequent getrennt. Die Kontorhäuser waren so konzipiert, dass man ihre Innenräume flexibel gestalten konnte. Expandierte also eine dort ansässige Firma und stellte mehr Mitarbeiter ein, konnte die Bürofläche ohne viel Aufwand vergrößert werden.
Das erste Kontorhaus, der Dovenhof, stand von 1886 bis in die 1960er-Jahre dort, wo später das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zu Hause war, bevor dieses auch wieder umzog – Hamburg ist eben immer im Wandel.
Charakteristisch für die Kontorhäuser der Hansestadt war jedoch nicht nur die Idee, hier ausschließlich zu arbeiten, sondern auch die Gestaltung im sogenannten Backstein-Expressionismus. Dabei wird der Klinker gezielt zu Mustern gesetzt, die die Fassade eines Gebäudes besonders lebendig erscheinen lassen. Darüber hinaus zeichnet sich diese Architektur-Spielart durch spitze und kantige Elemente aus.
Zum Kern des Hamburger Kontorhausviertels gehören der Mohlenhof, der Sprinkenhof, der Meßberghof, der Montanhof und natürlich das Chilehaus – ein echtes Hamburger Wahrzeichen. Diesem sollte man sich von Südosten her nähern. Denn von dort aus gesehen, ragt das imposante Gebäude mit seinen zehn Stockwerken wie ein gigantischer Schiffsbug in den Himmel und man kann die geschwungene Fassade mit ihren 2.800 Fenstern besonders gut sehen.
Innen zeugt das Chilehaus von der prachtvollen Vergangenheit der Hamburger Kaufleute: Ein großzügiger Innenhof, Mahagonitüren, kunstvolle Ornamente und geschwungene Treppenhäuser sind charakteristisch für das Flaggschiff des Kontorhausviertels. Seinen Namen hat das Chilehaus übrigens von seinem Bauherren: Henry Brarens Sloman war als junger Mann von Hamburg aus nach Chile ausgewandert und dort mit Salpeter reich geworden. Wieder zurück in der Heimat, beauftragte er den damaligen Hamburger Star-Architekten Fritz Höger mit dem Entwurf dieses Kontorhauses, für das 750 Güterwagen Zement und mehr als 4,5 Millionen Ziegelsteine verbaut wurden.