Museum für Völkerkunde – Warum Exil uns alle bewegt


Foto: Paul Schimweg/Museum für Völkerkunde Hamburg

Der in New York lebende Photograph und Regisseur Antoine Wagner wendet mit der Porträt-Reihe „Exil“ den Blick vom in der Biographie der eigenen Familie verankerten Exilanten-Schicksal, um Emigration als global weit verbreitetes Künstlerschicksal unserer Tage ins Auge zu fassen: Er photographiert Künstler aus Hamburg und Berlin, die aktuell in einer Exil-Situation leben müssen. Konfrontiert mit einem oft fremden Sprachumfeld und neuen Bedingungen für den Broterwerb, erleben sie einen existenziellen Bruch in der Lebensplanung. Die Porträts sollen dem Betrachter die Welt ihrer Gedanken, Sorgen und Probleme zugänglich machen.

Die Grenzen verschwimmen. Weltweit suchen derzeit fast 60 Millionen Flü̈chtlinge Schutz vor kriegerischen Konflikten und Verfolgung, vor Naturkatastrophen und unhaltbaren Lebensumständen. Viele sind im eigenen Land auf der Flucht, viele leben im Exil.
Doch so fern, wie es scheint, ist dieses Schicksal auch den Einwohnern der Festung Europa nicht. Juden im Osten traf Vertreibung und Auswanderung schon lange vor der Nazi-Herrschaft, fü̈r Sinti und Roma war es oft Dauerzustand. Millionen Menschen wanderten nach Amerika aus. Vertrieben wurden Oppositionelle aus der UdSSR und aus Nazi-Deutschland sowie Teile der juüdischen Bevölkerung. Und die Flü̈chtlinge und Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg. Und alle, die vor aktuellen Konflikten und Kriegen auf der Flucht sind.

Inspiriert durch Antoine Wagners Wanderungen in der Schweiz auf den Spuren seines Ururgroßvaters Richard zeigt die Ausstellung im Museum für Völkerkunde Hamburg 
außerdem Landschaftsaufnahmen und Installationen, die die Impuls gebende Kraft der Natur veranschaulichen, in der so viele Künstler im Exil Zuflucht suchen.
„Die schroffen Berge sind eine Herausforderung, sie setzen uns Grenzen, geben aber auch Halt“, sagt Antoine Wagner. „Und sie sind unsicheres Terrain, das erobert werden will.“ Diese Konfrontation und ihre mögliche Bewältigung inszeniert er hier: Lebensgroße Gesichter von Künstlern – Musikern, Malern, Autoren –, die entwurzelt in der Fremde leben, stellt er neben eindrucksvolle Bergpanoramen, deren Perspektiven keine vordergründigen Gewissheiten bieten. Und er fordert die Betrachter auf, in diesem Spannungsfeld eigene Standpunkte zu definieren.
An zwei Hörstationen können die Ausstellungsbesucher sich Texte von Exil-Autoren der Zeit zwischen 1933 und 1945 vorlesen lassen – und die Auseinandersetzung mit dem Zustand „Exil“ und seiner zerrissenen Gefühlswelt vertiefen.


Jérôme Kouadio
Foto: Antoine Wagner
  
Selbstporträt
Foto: Antoine Wagner

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