Kolumne von Maximilian Buddenbohm: mal eben nach Lübeck

Es hat natürlich Vorteile, wenn man Wochenendausflüge ins Umland mit der Bahn macht. Einerseits Vorteile, die auf der Hand liegen, es gibt z.B. günstige Pauschalangebote wie das Schleswig-Holstein-Ticket und man muss keinen Parkplatz suchen, das versteht sich von selbst. Andererseits aber auch Vorteile, die speziell für Familien mit Kindern gelten. So ist der Zug nach Lübeck ein Doppeldecker, in dem man oben sitzen kann. Falls Sie das nicht als Vorteil verstehen, lassen Sie es sich von Ihren Kindern erklären, die wissen Bescheid und ziehen einen Doppeldeckerzug jederzeit dem total langweiligen Auto vor.
Viel zu wenig beachtet wird aber der Vorteil, dass Zugfahren verlässlich die Gepäckmenge auf Ausflügen beschränkt, obwohl das eigentlich ein Grund ist, nur noch mit dem Zug zu fahren. Familien neigen dazu, vor Autofahrten das Gefährt aufzufüllen, bis es voll ist, mit lauter Sachen, die man eventuell brauchen könnte. Der Kofferraum ist leider einladend und da passt natürlich etwas rein. Fast nichts davon braucht man wirklich, aber alles muss erst einmal zum Auto getragen werden und später dann wieder in die Wohnung. Da man bei Zugfahrten aber erst zum Bahnhof gehen muss, füllt man lieber nur einen Rucksack für den Packesel der Familie, also meistens den Vater – und mehr nicht. Jacken an, Mützen auf, Rucksack auf, fertig. Es grenzt an ein Wunder, wie Bahnfahrten Ausflüge simplifizieren, plötzlich braucht man fast nichts mehr und läuft wie ein normaler Mensch herum. Ach nee, das wollen wir nicht tragen, das lassen wir hier. Geht doch!

Lübeck bietet sich als Ziel an, um mit der Bahn einen Ausflug von Hamburg aus zu machen, denn der Bahnhof ist dort bequem dicht an der Innenstadt und den Weg dorthin kann man nicht verfehlen, die Stadt liegt schon vor einem, wenn man aussteigt. Wir haben getestet, wie gut ein Kurztrip nach Lübeck mit Kindern klappt und haben einen Lübecker Dreisprung absolviert: Holstentor, Marienkirche, Niederegger.

Zuerst ins Holstentor, in dem ein kleines Museum mit günstigem Eintritt ist. In Lübeck zahlt man dann übrigens im nächsten Museum nur noch den halben Preis, nachdem man im ersten voll bezahlt hat, das ist eine feine Sache. Das Holstentor ist natürlich schon von außen beeindruckend, auch wenn den vier Jungs, die wir dabei hatten, nicht ganz klar war, wieso denn die Angreifer damals nicht einfach darum herum gegangen sind? Wie doof waren die denn? Links und rechts vom Tor ist doch gar nichts? Drinnen gibt es aber Modelle der ehemaligen Befestigungsanlage der Stadt, mit denen man die Frage souverän beantworten kann, und Modelle klappen bei Kindern bekanntlich immer. Einige Modelle kann man auch anfassen und aufmachen, das ist natürlich noch besser. Und es gibt oben im Turm in einer Vitrine einen hübsch angestrahlten mittelalterlichen Keuschheitsgürtel, bestens erhalten. Es war eine schöne intellektuelle Herausforderung, vier Kindern zwischen vier und sechs Jahren das Ding so zu erklären, dass sie es verstehen, ohne alles zu verstehen. Ich finde es richtig, bei so etwas nicht zu lügen, aber die passenden Vokabeln zu finden kann doch eine unerwartet schwere Aufgabe werden. Gott sei Dank langweilen sich die Kinder ohnehin nach drei Sätzen mit langwierigen Erklärungen und entlassen den Vater schnell wieder aus seinem Gestammel.

Vom Holstentor über die Trave in die Stadtmitte und am Rathaus nach links, in die Marienkirche. Die ist erstens als Höhepunkt der Backsteingotik auch für Erwachsene sehenswert und zweitens können die Kinder die Maus suchen. Ja, die Maus. In der Kirche ist eine Maus mit historischer Bedeutung versteckt, das erklären die freundlichen Menschen an der Kasse gerne näher. Die Suche kann etwas dauern, das Tier ist wirklich gut versteckt, so lange kann man sich in Ruhe umsehen, das ist ein guter Deal. Zweitens liegen in der Kirche noch die Glocken, die im Zweiten Weltkrieg beim großen Luftangriff auf die Stadt aus dem Turm gefallen sind, sie liegen da als Mahnmal. Kaputte Glocken sieht man nicht jeden Tag und je nach Alter der Kinder kann man davor etwas zur Geschichte erklären oder nicht. Bleibenden Eindruck hinterlässt der Anblick in jedem Fall. Eine Kerze für Menschen anzuzünden, die man mit Wünschen bedenken kann, das ist auch immer eine gute Idee und Kindern gut zu vermitteln, ob man nun daran glaubt oder nicht, was macht das schon. Sollte man gerne Kirchen ansehen, ist es sowieso sinnvoll, den Kindern das Kerzenritual zu vermitteln, es macht die Besuche deutlich einfacher.

In der Marienkirche ist es kalt, als wir da waren, war es sogar eindeutig kälter als draußen. Da muss man sich hinterher schnell aufwärmen und das macht man natürlich bei Niederegger, das Stammhaus liegt schräg gegenüber der Kirche und ein Lübeck-Besuch ohne Niederegger geht ohnehin nicht. Die Kinder bekamen dort sofort Malblöcke und Stifte gereicht, das freut immer sehr, zumal es leider in Cafés selten vorkommt. Der Kuchen wird am Buffet ausgesucht, das kann mit Kindern etwas dauern, es geht immerhin um eine Entscheidung von einiger Tragweite, da muss man vielleicht etwas länger vor der Glasscheibe stehen. Nach unseren Erfahrungen kann man übrigens davon ausgehen, dass Kinder die großen Tortenstücke nicht alleine aufessen können, das möchte man vielleicht bei der Bestellung bedenken. Bevor man Niederegger verlässt, kann man wohlgeratenen Kindern mit erstklassigem Benehmen natürlich noch etwas aus Marzipan kaufen, im Erdgeschoss gibt es reichlich Auswahl, vor der man wiederum verblüffend lange stehen kann. Dass man wohlgeratenen Vätern mit erstklassigem Benehmen auch Marzipan kaufen kann, das ist mir leider viel zu spät eingefallen, manchmal hat man wirklich seltsame Aussetzer.

Wir sind danach wieder zum Bahnhof gegangen und haben einen Ausflug mit vollem Programm in nur fünf Stunden absolviert, da war sowohl vorher als auch hinterher noch reichlich Tag übrig. Wir hätten natürlich länger bleiben können, aber manchmal ist es gut, wenn noch etwas Leerlauf in das Wochenende passt. Lübeck hat natürlich noch ein paar interessante Museen mehr, darunter ein großes Puppentheatermuseum, das auch für Kinder spannend sein dürfte.

Dieser Ausflug wird sicher wiederholt, dann mit anderen Zielen in der Stadt.

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