Interview mit Dr. Jörg Schilling – Bauwerke erzählen Geschichten

Mit dem Architekturhistoriker und Verleger sprachen wir über Baukunst, Bausünden und über sein aktuelles Buch „Erinnerungen von Landschaften“.

Dr. Jörg Schilling

Woher rührt Ihre Faszination für Gebäude aller Art und wie würden Sie diese beschreiben?
Für mich erzählt unsere gebaute Umwelt endlose Geschichten über unser sozial-gesellschaftliches und kulturelles Leben.

Wie ist die Idee zu dem Buch „Erinnerungen von Landschaften“ entstanden?
Das waren meine Grafiker: innen, die mir den Floh ins Ohr gesetzt haben, etwas über Werner Nöfer und seine Kunst im öffentlichen Raum zu machen. Ich habe ihn kontaktiert, wir sind zu ihm aufs Land gefahren und konnten Nöfer begeistern. Eine Woche später hatte ich einen großen Karton mit Unterlagen von ihm auf dem Tisch.

Welchen Stellenwert nehmen Wandgemälde im urbanen Raum Ihrer Ansicht nach ein?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es kommt darauf an, wozu und wie sie entstanden sind. Früher haben künstlerische Wandgemälde – oft auch mit figürlichen Szenen und politischen Botschaften – Brandmauern verschönert. Heute gibt es keine Kriegslücken und Brandmauern mehr. Wenn dann doch mal welche entstehen, sind das Kunstwerke, die aus dem Graffiti-Bereich stammen. Ich schätze DAIM alias Mirco Reisser oder Studio Offbeat / Michael Hennings – letzteren wegen seines Architekturbezugs.

Sind Murals in Ihren Augen Kunst?
Kurz und knapp: Ja, warum nicht?

Wenn Sie die Wahl hätten: Welches Hamburger Gebäude würden Sie gern mit einem Wandgemälde verschönern und warum?
Das Umspannwerk im Oberhafen. Hätte auch schon eine Idee: wir suchen einen neuen Standort für die drei Emailletafeln von Werner Nöfer und Dieter Glasmacher, die ursprünglich an der Kunsthalle und heute in der Gleishalle / Oberhafen hängen.

Welches Ihrer Bücher würden Sie einem Neu-Hamburger empfehlen, der sich für Kunst und Architektur interessiert?
Die ganze Reihe der hamburger bauhefte! Sie werden auch gerne von Stadtführer:innen erworben. Mit ihnen durch Hamburg und es bleibt fast keine Frage unbeantwortet.

Gibt es in Ihren Augen Bausünden in der Stadt und haben Sie dafür Beispiele?
Sünden werden eher am Baubestand begannen. Da nenne ich nur das Beispiel Schilleroper. Das ist ein Trauerspiel und eine Schande für die Stadt. Die Schilleroper ist ein Paradebeispiel dafür, wie Privat- und Wirtschaftsinteressen die Belange der Öffentlichkeit aushebeln können.

Wie stehen Sie zu den Debatten rund um das Bismarck-Denkmal?
Da machen sie ein Fass auf. Ich habe meine Doktorarbeit über die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte des Monuments geschrieben. Das Hamburger Bismarckdenkmal ist ein einzigartiges Kulturdenkmal, aber ich verstehe, dass es provoziert. Schon lange fehlt eine Kontextualisierung vor Ort. Die sollte so schnell wie möglich kommen!

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